Versöhnungskirche im Pommernzentrum

Travemünder Häuser Nr. 47

Europaweg

Versöhnungskirche im Pommernzentrum

Am 12. Januar 1945 begann die Rote Armee mit einem gewaltigen Trommelfeuer an der Ostfront ihre Schlussoffensive mit dem Ziel, auf deutschem Boden den Krieg zu beenden und zu gewinnen. Trotz erbitterten Widerstandes der deutschen Wehrmacht war der Druck der weit überlegenen sowjetischen Truppen übermächtig.

Im Rücken der zurückweichenden deutschen Verbände setzte sich ein gewaltiger Flüchtlingsstrom der Zivilbevölkerung in Bewegung, der einer furchtbaren Völkerwanderung glich, markiert von Blut, Tränen und Hoffnungslosigkeit. Die eisigen Winterstürme verschlimmerten die Lage der verzweifelten Menschen, die mit dem Rest ihrer Habe nach Westen drängten, wo sie Sicherheit und Hilfe erhofften.

Travemünde war eines der vielen Ziele dieser Armee ohne Hoffnung. Zu Wasser und zu Land suchten sie hier Schutz vor den Kriegsgefahren, ein Dach über dem Kopf und ein Stück Brot.

Unser Städtchen war vom Kriege weitgehend verschont geblieben. Viele bombengeschädigte Menschen aus Lübeck und Hamburg hatten hier Zuflucht gefunden. Die Schule und viele Hotels wurden als Lazarette für verwundete Soldaten benutzt.

Und nun kamen unzählige Massen von Flüchtlingen vornehmlich aus Ostpreußen und Pommern nach Schleswig-Holstein, nach Travemünde. Die Heimatvertriebenen bildeten die Bevölkerungsgruppe, die vom Kriege am meisten betroffen war. Um die Erinnerung an die alte Heimat wach zu halten, aber auch zur gegenseitigen Hilfe, schlossen sie sich zu Landsmannschaften zusammen, die in ganz Deutschland wertvolle Aufbauarbeit leisteten.

Ein Beispiel für dieses Engagement ist das Pommernzentrum in Travemünde mit der Ostsee-Akademie und der Versöhnungskirche am Europaweg. Und diese Gotteshaus wollen wir heute vorstellen, im letzten Heft, dem Weihnachtsheft von UNSER TRAVEMÜNDE, im Jahre 2000. Um es im Vorwege gleich zu sagen: Wir wollen Sie, lieber Leser, sofern Sie diese Travemünder Kirche noch nicht betreten haben, zu einem Besuch anregen. Wenn Sie mehr über diese Kirche wissen wollen, empfehle ich Ihnen die „Dokumentation in Bild und Wort – Versöhnungskirche im Pommernzentrum“ aus dem Jahre 1999, denn ich will hier nur ein Kurzportrait aufzeichnen.

Die Kirche gehört zur Travemünder St.-Lorenz-Gemeinde. Die Gottesdienste werden von Travemünder und engagierten im Ruhestand lebenden Pastoren gestaltet. Bereits Anfang der achtziger Jahre hatte der Pommernsprecher Dr. Philipp von Bismarck den Willen der Pommerschen Landsmannschaft nach einem Gotteshaus im Pommernzentrum als wichtiges Anliegen vorgetragen, unterstützt von Mitgliedern des Bundesvorstandes, so dass am 01.01.1986 ein entsprechender Beschluss zum Bau der Kirche gefasst werden konnte. Das Architektenbüro Helmut Eggemann zeichnete 1987 den Plan einer „kleinen pommerschen Dorfkirche“ als ökumenisches Gotteshaus im Pommernzentrum, der nach entsprechenden Auflagen weiterentwickelt und vom Bundesvorstand angenommen wurde. Nach einem Ideenwettbewerb hatte das Modell Eggemann bei vier eingereichten Architektenvorschlägen die meisten Stimmen erhalten.

Versöhnungskirche im Pommernzentrum

Man war sich einig, dass der Bau dieser ersten von einer ostdeutschen Landsmannschaft geplanten Kirche nur mit Spenden finanziert werden sollte. Daraufhin erfolgte am 09. April 1988 die Gründung eines Gemeinnützigen Vereins, des „Bauvereins Kirche im Pommern-Zentrum“. Wenige Monate später nach dem ersten Spendenaufruf erfolgte am 11.09.1988 Grundsteinlegung, an der maßgeblich unter vielen anderen Helfern Pastor Manfred Schmidt als Koordinator zwischen den verschiedenen Entscheidungsgremien tätig war. Bis zum eigentlichen Baubeginn verging aber noch ein ganzes Jahr, bis alle Ausschreibungen ausgewertet und die Finanzierungsprobleme ganz gelöst waren. Als gutes Omen für den Baubeginn werteten alle Beteiligten die gleichzeitige Grenzöffnung zur damaligen DDR im November 1989.

Und nun ging es zügig weiter. Am 24. März 1990 war Richtfest, am 06. Juni wurden die ersten beiden Glocken im Turm aufgehängt, und am 04. Dezember 1991 wurde die Versöhnungskirche durch den Lübecker Bischof Karl-Ludwig Kohlwage geweiht. Über 200 Gäste waren der Einladung gefolgt und nahmen an der feierlichen Zeremonie teil. Der besondere Dank galt den vielen Menschen, die mit einem Spendenaufkommen von über 2 Millionen Mark den Bau dieser Kirche erst ermöglicht hatten.

Versöhnungskirche im Pommernzentrum

Nun steht sie seit beinahe 10 Jahren am Eingang von Travemünde im Ortsteil Rönnau. An ihrer Südseite erstreckt sich seit 1998 die Gedenkallee. 31 Linden und 31 Gedenksteine sollen an die ehemalige Landeshauptstadt Stettin und die 30 verlorenen Kreise in Hinterpommern erinnern. Von der Ivendorfer Landstraße führt der Europaweg auf die Kirche zu. Sie steht als mächtiges Symbol der Versöhnung nach der Teilung Deutschlands 1945 und einem vereinigten Europa der Zukunft mitten im Pommern-Zentrum von Travemünde. Über das Innere der Kirche erzähle ich Ihnen nichts, das sollten Sie selbst erleben, z. B. bei einem sonntäglichen Gottesdienst oder auch beim weihnachtlichen Quempassingen des Gemischten Chores der Travemünder Liedertafel.

Inzwischen hat sich im Pommernzentrum ein reges Gemeindeleben entwickelt. Und wenn Sie noch mehr über die Kirche erfahren wollen, dann studieren Sie die am Anfang schon erwähnte „Dokumentation in Bild und Wort – Versöhnungskirche im Pommernzentrum“.

Helmuth Wieck

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