Bürgerpreisträger
des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde e.V.
2011

Bürgerpreisträger des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde e.V. 2011 - Siegfried Ziemann

Siegfried Ziemann

der Erfinder der Bücherstube

Überrascht sei er gewesen, überrascht und erfreut – das war die erste Reaktion von Siegfried Ziemann, als er erfuhr, dass er Bürgerpreisträger des Jahres 2011 geworden ist.

Bezeichnend für den agilen „Erfinder“ der Bücherstube ist, dass er zu Beginn seiner Dankesrede während der Mitgliederversammlung des GVT im März als erstes sein Team erwähnt, ohne das die Jahre von Beginn der Büchersammel-Aktionen für Bücherflohmärkte bis zu den Anfängen der Bücherstube nicht möglich gewesen wären. Und mit „Team“ ist besonders seine Frau Elfriede gemeint, die ihn von Beginn an bei allen Aktivitäten unterstützt hat.

Frau Ziemann ist es auch, deren Travemünder Wurzeln das Ehepaar Ziemann vor 21 Jahren in Travemünde sesshaft werden ließen. Vorher arbeitete das eingespielte „Team Ziemann“ lange Jahre in Braunschweig, zunächst in der Geschäftsführung eines Groß- und Außenhandelsbetriebes und dann lange als selbstständige Geschäftsleute im An- und Verkauf von Orient-Teppichen. Mit diesem anspruchsvollen Metier kennt sich Siegfried Ziemann aus und konnte damit sein Hobby beruflich erfolgreich umsetzen.

Im Gespräch mit Ehepaar Ziemann ist deutlich spürbar, dass grundlegende Werte aus der langjährigen beruflichen Erfahrung fester Bestandteil ihrer Lebenseinstellung sind – eben wie ein Muster in einem wertvollen Orientteppich. „Verkaufen ist Vertrauenssache und die gute Verbindung zu jedem Kunden ist unerlässlich“ – dieses Motto galt nicht nur für den Handel mit den wertvollen Teppichen sondern auch für das zunächst kleine „Unternehmen“ Büchermärkte, das Ziemanns gleich nach ihrer Übersiedlung in die neue „Alte Heimat“ Travemünde gründeten.

Die Idee entstand bei einem Besuch bei Freunden in Westdeutschland, die Ziemanns zu einem Gemeindefest mitnahmen. Der Stand mit gebrauchten Büchern dort war umlagert und wurde gut angenommen. Da war die Idee geboren: so etwas sollte doch auch in Travemünde möglich sein.

Bücher-Markt des GVT

Siegfried Ziemann als Mann der Tat und Mitglied des Gemeinnützigen Vereins Travemünde stellte seine Idee auf einer Mitgliederversammlung vor und ließ sich seine „Unternehmensgründung“ genehmigen: „Wenn ihr meint – ihr könnt es ja mal probieren.“

Zur damaligen Zeit war nicht absehbar, wie erfolgreich diese Idee sein würde und vor allem nicht, dass sie über 20 Jahre einen Teil der Vereinsgeschichte des GVTs bilden würde – mit Option auf mindestens weitere 20 Jahre.

Sorgfältiges Sammeln mit Blick und Liebe für die Details – das waren die prägenden Grundsätze der Anfangszeit. Schnell war die Ziemann’sche Garage die erste Bücher-Sammel-, Entstaub-, Restaurier- und Sortier-Station. Viele Pinsel mussten beim Entstauben ihre Haare lassen, unzählige Bananenkisten wurden aus und – nach Fachgebieten sortiert – wieder eingepackt. Kaum schätzbar, wie viele Bücher durch die Hände des Ehepaares Ziemann und der wachsenden Büchermarkt-Gruppe gegangen sind, um dann zunächst auf Stadtfesten gegen eine Spende abgegeben zu werden.

Auf den Fotos der Büchermarkt-Stände anlässlich der Nikolausmärkte im Strandbahnhof lässt sich erahnen, was für ein durchdachtes und aufwändiges System das damalige Team erarbeitet hatte: Die einheitlichen blauen Regale sind mit den Sachgebieten der Bücher beschriftet, nicht selten wird für einen Interessenten noch eine Bücherkiste aus der Reserve geöffnet, um einen speziellen Buchwunsch zu erfüllen. Auf Wunsch werden Bücherfreunde angerufen, wenn ein Werk aus ihrem Interessensgebiet bei einer Bücherspende dabei ist – das ist der besondere Charme und Service der Büchermarkt-Gruppe, der sie weit über die Grenzen Travemündes bekannt macht. Ja, bisher war es eine „Büchermarkt-Gruppe“ (der Name „Bücherflohmarkt“ der Anfangszeit passte schon lange nicht mehr zu dem gut sortierten Angebot) – die Büchermengen wuchsen, die Lagerstätten auch.

Elfriede und Siegfried Ziemann

Ein Raum in der Steenkamp-Schule wurde schnell zu klein. Die nächste Station war das ehemalige Kino in der Vogteistraße, zwar ungeheizt aber mit ausreichend Stauraum. Auch zu dieser Zeit wurde schon außerhalb der Stadtfest-Zeiten verkauft. Als Geheimtipp gehandelt, standen so manche Bücherfreunde schon vor der Tür des Gebäudes, wenn das Bücherteam kam, um zu sortieren und aufzubereiten. Da lag der nächste Schritt nahe: mit Übernahme des Otto-Melchert-Hauses Am Godewind bekam die „Bücherstube“ ihre erste feste Heimat. Für das Team um Ehepaar Ziemann ein Quantensprung, denn mit einem festen Raum mit Öffnungszeiten ergaben sich viele neue Möglichkeiten. Mit diesem Vorläufer war es beim Umzug des Vereins in das Gesellschaftshaus in der Torstraße klar, dass ein Raum für die Bücherstube aus dem Programm
des Gemeinnützigen Vereins nicht weg zu denken ist.

Zehn Jahre lang hat Siegfried Ziemann die glückliche Allianz von Büchern und gemeinnütziger Arbeit begleitet und sehr viel Freude damit bereitet: die Freude der Bücherspender, dass gute Bücher nicht in Kellern und auf Dachböden verstaubten, die Freude der Kunden der Bücherstube und der Büchermärkte, die oft ein lang gesuchtes Exemplar in Händen hielten und natürlich die Freude der vielen Institutionen, die über die Jahre nicht unerhebliche Beträge aus den Erlösen der Büchermärkte für ihre Arbeit verwenden konnten. Und dazu kommt noch etwas Besonderes: die vielen Stunden, die die wechselnden Bücher-Teams miteinander verbringen konnten mit vielen Gesprächen beim Sortieren und Kisten-Packen, mit Bücherspendern und Bücherkunden.

Bis heute ist die Bücherstube auch ein Treffpunkt zum Austausch und ein wichtiger Anlaufpunkt für viele, die ihre Freizeit sinnvoll verbringen wollen. „Dass man nach so langer Zeit noch daran denkt!“ – auch das ging Siegfried Ziemann durch den Kopf. Denn schon vor zehn Jahren musste er die auch körperlich schwere Arbeit mit den Büchern aufgeben.

Lieber Herr Ziemann, natürlich denken viele heute noch an Sie, denn mit Ihrer Büchermarkt-Idee haben Sie etwas Bleibendes geschaffen, das das Leben in Travemünde bereichert – vielen Dank dafür!

Christine Jaacks-Mirow

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