Travemünde Ortschild

2004 – Heft 2 / 319

K R I T I C U S

sehnt sich mit zunehmendem Alter immer ganz besonders nach dem Frühling. Er freut sich, wenn die Tage wieder länger werden und die ersten Blumen blühen. Die Narzissenwiese an der Außenallee liebt er ganz besonders und findet zwischen den gelben Blüten so manch anderes seltenes Pflänzchen. Der April hat uns ja schließlich noch mit schönem sonnigen Wetter verwöhnt, und die Strandkörbe konnten ihre erste Besetzung aufnehmen. An den Osterfeiertagen war Travemünde voller fröhlicher Menschen, die das schöne Wetter genossen und die bunten Drachen bewunderten. Die Parkplätze waren voll besetzt, und viele Besucher benutzten deswegen auch die Busse der LVG und die Züge der DB. Und alle waren voll besetzt. Die Benutzer der Bundesbahn werden aber bei der Ankunft am Strandbahnhof kopfschüttelnd feststellen, daß dieses Eingangstor zum Ostseebad und Kurort Travemünde immer mehr verkommt.

Und da muß der KRITICUS doch noch einmal nachhaken, obwohl er über den Zustand des Bahnhofes schon manchmal kritisch berichtet hat. Aber langsam wird das Problem Strandbahnhof zur unendlichen Geschichte.

Schon seit fast zwei Jahrzehnten verfolgt der KRITICUS das langsame Dahinsiechen des schönen Gebäudes und seiner Bahnsteige. An vielen Sitzungen mit Vertretern der Bundesbahn und der Kurverwaltung hat er teilgenommen oder wurde z. B. von Frau Hilde Stringer, die sich das Schicksal des Strandbahnhofes fast zur Lebensaufgabe gemacht hat, über die Planungen informiert. Immer wieder wurde betont, daß schon konkrete Pläne in der Schublade lägen und mit Renovierungs- und Umbauarbeiten bald begonnen würde.

Strandbahnhof Travemünde

Die Pläne sind beinahe verschimmelt, da wurde endlich im Jahre 2003 verkündet, im nächsten Jahr, also 2004, ginge es endlich und ganz bestimmt mit den Arbeiten los, nachdem sich Lübeck und die Bundesbahn über die Nutzung des Bahnhofes endlich geeinigt hätten.

Nun müssen wir aus der Zeitung erfahren, daß die DB in Travemünde 750-tausend Euro investieren will, aber nicht am Strandbahnhof, sondern im Hafenbahnhof. Darüber freuen wir uns natürlich auch sehr, wenn nicht gleichzeitig zu lesen wäre, daß sich die geplanten Umbauarbeiten am Strandbahnhof erneut verzögern werden, weil angeblich über die Finanzierung erneut verhandelt werden müsse. Nun geht das Spielchen wieder von vorne los, obwohl sich auch der GVT mit 20 000 Euro beteiligen will. Inzwischen verkommt die Bahnhofsanlage weiter. Überall wuchern Kräuter und Sträucher, und der KRITICUS befürchtet langsam, daß das Umweltamt das Gelände unter Naturschutz stellen wird, weil sich irgendeine seltene Eidechse oder Grasmücke dieses Gestrüpp als willkommene Heimstätte ausgesucht hat.

Strandbahnhof Travemünde

Der KRITICUS fängt langsam an, sich wegen des Bahnhofes zu schämen und will in Zukunft seinen Freunden und Bekannten raten, doch bitte nicht mehr mit der Bahn nach Travemünde zu kommen, sondern am besten mit dem Hubschrauber, denn die Busse kommen ja auch am Strandbahnhof an, und da entdeckt der aufmerksame Besucher, daß das Gebäude zum Schutz der schon stark beschädigten Buntglasfenster regelrecht vernagelt worden ist, und die schöne Halle noch trostloser wirkt. Daß die Uhr an der Parkseite nicht funktioniert, merken zwar die wenigsten, aber daß die Anzeige für die Abfahrten der Züge abgeschaltet ist, haben doch schon viele Reisenden mit Erstaunen registriert.

Ganz früher, als der Strandbahnhof noch voll mit Personal in Betrieb war, wurde die Anzeige nämlich im Hause vom diensthabenden Bahnbeamten geschaltet. Seitdem es keine Abfertigung der Fahrgäste mehr dort gibt, wurde die Zeitangabe vom Stellwerk an der Rose gesteuert. Das ist ja nun auch stillgelegt, weil alle Schranken und Weichen von einem Computer in Hannover bedient werden. Da ist eine solche kleine kundenfreundliche Einrichtung natürlich nicht eingeplant.

Strandbahnhof Travemünde

Trotzdem gibt er die Hoffnung nicht auf und hofft, daß er den Strandbahnhof noch in strahlendem Glanze, mit funktionierenden Uhren und einer im Bundesgebiet fast einmaligen Abfahrtsanzeige und mit viel Leben in dem schönen Gebäude bewundern kann.

Ja, das wünscht er sich sehr, der KRITICUS.

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