Travemünde Ortschild

2001 – Heft 3 / 308

K R I T I C U S

könnte das halbe Heft von UT gebrauchen, um alle kritischen Anmerkungen loszuwerden, die ihm auf der Seele liegen, aber er muß sich auf das Wesentliche beschränken, obwohl es einiges zu bemerken gibt.

Was die Stadt Lübeck bzw. Bürgerschaft und Senat mit der Liegewiese, auch Grünstrand genannt, vorhaben, ist schon von ziemlich starkem Kaliber. KRITICUS erinnert sich noch an die sechziger Jahre. Da reichte der Sandstrand an dieser Stelle tatsächlich bis fast an die Kaiserallee heran. – Damals standen da noch die Warburgsche Villa, der Ostseekurhof – in dem u. a. Bundespräsident Heuss nächtigte – und an der Ecke zum Helldahl das Ostseehotel. KRITICUS und seine Familie hatten ihren eigenen Strandkorb dort stehen. Das ging zu dieser Zeit noch, gegen eine kleine Gebühr und eine Flasche Rum. Mit den zuständigen Strandkorbvermietern, z. B. Herrn Stöter oder Kapitän Kliche, hatte seine Familie immer ein besonders gutes Verhältnis. Die Strandpromenade endete damals an der Ecke, wo heute die Liegewiese beginnt. Da existierte noch der Strandpavillon, später Café Dietz genannt, wo KRITICUS häufig zu Gast war.

Grünwiese Travemünde

Weil die Ostsee bei stürmischem Wetter aber immer näher an die Kaiserallee heranrückte, verlängerte man die deichähnliche Uferbefestigung, verstärkte sie mit großen Granitfindlingen und spülte das dahinterliegende Gelände mit aus der See herausgebaggertem Sand auf. So entstand die Verlängerung der Strandpromenade bis zum Möwenstein und die schöne große Grünfläche. Sträucher wurden angepflanzt, Sitzgelegenheiten aus Stein geschaffen und der Rasen wuchs, daß es eine Freude war.

KRITICUS war damals viel an der Ost- und Nordseeküste Schleswig-Holsteins unterwegs und stellte fest, daß Travemünde mit dieser Liegewiese direkt an der See über einen einmaligen, für alle Bürger frei zugänglichen Grünstrand verfügte, wie er in keinem anderen Badeort in dieser Form zu finden ist. Und jetzt soll dieses „Kleinod“ verscherbelt werden, weil die Stadt Lübeck Geld braucht. Kein Wunder, daß die Travemünder heftigen Einspruch erheben. Die von uns allen und vielen auswärtigen Gästen unterschriebenen Protestlisten, 10.000 Namen waren es bis zum 29. Juli 2001, dokumentieren eindeutig den Bevölkerungswillen. Aber was sagt Lübecks Bausenator Dr. Volker Zahn, nachzulesen im Wochenspiegel vom 2. August: „Gebaut wird auf jeden Fall“, und fügt großmütig hinzu „Ein Teil, etwa die Hälfte, soll aber erhalten bleiben!“ Ja, wo leben wir denn, kann KRITICUS da nur fragen, wenn ein Senator als Vertreter des Senats der Hansestadt Lübeck den 10.000-fach dokumentierten Beschluß der Bevölkerung so abtut.

Grünstrand Travemünde

Diese Wiese ist Eigentum der Stadt Lübeck und damit auch der Frauen, Männer und Kinder, die in dieser Stadt wohnen.

Es sei an das Leuchtenfeld erinnert, das auch einmal eine schöne Wiese war. Jeder Travemünder hatte das Recht, 3 Schafe auf dieser Wiese zu weiden. Noch in den fünfziger Jahren wurde von diesem Recht Gebrauch gemacht, bevor man diese schöne Grünfläche zum Parkplatz degradierte.

Apropos Parkplatz! Für sehr viel Geld hat die Hansestadt Lübeck den Parkplatz am Kowitzberg erstellt mit der mißglückten Einfahrt. Aufwendige gepflasterte „Straßenzüge“, die der Kurgartenstraße oder der Vorderreihe gut gestanden hätten, durchqueren das Areal. Nur bei besonderen Ereignissen wird der Parkplatz von Besuchern aufgesucht, sonst steht er immer ziemlich leer. Aber doch nicht ganz. Denn im hinteren Teil ist ein munteres Campingtreiben entstanden, wo mit den Parkflächen durchaus großzügig umgegangen wird.

Parkplatz Kowitzberg Travemünde

Wohnwagen mit großen Vorzelten, Satellitenantennen und eigenen Kinderspielplätzen für Großfamilien sind dort aufgestellt worden. Abends wird gekocht und gegrillt. Für den notwendigen elektrischen Strom sorgen mit Benzin oder Diesel betriebene Aggregate, was von den Anwohnern deutlich wahrgenommen wird. Über die sanitären Anlagen schweigt KRITICUS lieber, denn es gibt keine.

Parkplatz Kowitzberg Travemünde

Er schlägt aber vor, daß Teile dieses großen Parkplatzes anderweitig genutzt werden könnten. Ein paar Baugrundstücke würden sicherlich auch noch übrig sein. Die würden auch Geld in Lübecks leere Kassen bringen.

Aber laßt den Grünstrand so, wie er jetzt ist, sonst stellt KRITICUS den Antrag, diese Wiese unter Naturschutz zu stellen, denn außer dem geschützten Trockenrasen hat er auch Exemplare des ganz seltenen Steinwälzers (Arendaria interpres), des großen Perlhuhnfalters (Argynnis aglaia) und der kaum noch anzutreffenden putzigen Kleinwühlmaus (Pitymus subterraneus) entdeckt. Aber ist es dringend notwendig, daß jetzt unsere Umweltsenatorin Frau Dr. Beate Hoffmann, eingreift. Übrigens, an die Menschen auf der Liegewiese haben sich die lieben Tierchen längst gewöhnt, stellte der KRITICUS fest.

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