Travemünde Ortschild

2002 – Heft 4 / 313

K R I T I C U S

schaut mit gemischten Gefühlen auf das fast vergangene Jahr 2002 zurück. Wenn er auch über sein Privatleben nicht klagen kann, so waren doch die dramatischen Ereignisse bei uns und in vielen anderen Ländern teilweise von solch katastrophalen Umständen begleitet, dass sie wohl lange in Erinnerung bleiben und in die Chroniken der betroffenen Gebiete eingehen werden. Mitten im Sommer öffnete der Himmel seine Schleusen und überschwemmte mit gewaltigen Wassermassen und über die Ufer getretenen Flüssen und Bächen weite Landstriche an Elbe und Donau, an Mulde und Weißeritz. Noch sind diese Ereignisse so nah, dass sie noch spürbar sind. Viele Jahre wird man brauchen, um die angerichteten Schäden beseitigt zu haben. Menschenleben sind zu beklagen, Tausende unserer Mitbürger verloren ganz oder teilweise ihr Hab und Gut. Diese Katastrophe löste aber auch eine Hilfsbereitschaft mit aktivem und finanziellem Einsatz aus und führte die Menschen in ihrer Not wieder zusammen.

Wie ein Damoklesschwert klingt das Säbelgerassel um den Irak und verängstigt und beunruhigt die Völker. Bombenanschläge und Mordanschläge überschatten auch unser Leben.

Neben all diesen bösen Ereignissen hatten wir Deutschen auch noch eine Wahl zu überstehen, die spannender nicht sein konnte, zumal die Zukunftsaussichten nicht gerade rosig sind.

Selbstverständlich spürte auch unser Holsteiner Land einschließlich Travemünde direkt oder indirekt die Folgen der geschilderten Tatsachen. Über das Hochwasser an der Elbe hat man beinahe vergessen, dass z.B. das kleine Örtchen Ahrensbök fast in den Fluten eines sonst harmlosen Baches versank. Und in Travemünde liefen viele Keller voll und die schönen Sandskulpturen auf dem Priwall wurden durch den wolkenbruchartigen Regen stark beschädigt. Aber diese Blessuren waren im Grunde nur Kleinigkeiten gegenüber den anderen Zerstörungen.

Entschuldigen Sie, lieber Leser, dass KRITICUS von den sonst von ihm geschilderten Themen abgewichen ist, denn immer, wenn er die kritischen Bemerkungen für das letzte Heft eines Jahres von UNSER TRAVEMÜNDE schreibt, kommen ihm mit zunehmendem Alter solche Gedanken. Aber nun wird sich KRITICUS wieder eines Travemünder Ereignisses annehmen, das für das See- und Heilbad doch von großer Bedeutung ist, und da kann er auf einige kritische Anmerkungen nicht ganz verzichten:

Im Jahre 2002 konnte das Ostseebad Travemünde den 200. Geburtstag feiern. Dieses festliche Ereignis wurde natürlich von den politischen und meteorologischen Umständen überlagert und behindert. Herausragende Ereignisse neben der Travemünder Woche waren ohne Zweifel der gigantische Sandskulpturen-Park Sand World auf dem Priwall und auch das umstrittene Powerboat-Rennen auf der Travemündung und der Lübecker Bucht. Diese Veranstaltungen haben Travemünde weit über die Landesgrenze hinaus sogar weltweit, wenn auch nur zeitlich befristet, bekannt gemacht. Eine bessere Werbung für das Seebad konnte es ohne Zweifel nicht geben, wobei die Travemünder Woche als Traditionsveranstaltung natürlich einen Sonderstatus einnimmt. Aber direkt mit dem 200-jährigem Jubiläum des Seebades hatten sie eigentlich nichts zu tun. KRITICUS hat daraufhin einmal den Veranstaltungskalender der Kurverwaltung bzw. der Lübeck-Travemünde-Tourismus-Zentrale vom Sommer 2002 durchforstet. Er fand außer großen Überschriften herzlich wenig über diesen festlichen Geburtstag. Nur zur Eröffnung der Badesaison am 1. Juni gab es als, ich zitiere: „Highlight des Festprogrammes 200 Sommer-Seebad Travemünde (so steht es geschrieben)“ ein historisches Badefest mit Badekarren, historischen Badekostürmen und Blasmusik. Der Haupt-Gang war das erste Bad dieser Saison von „politischen Würdenträgern“. Das war außerordentlich lustig. Vielleicht hatte die Veranstaltungsreihe „Russisches Roulett“ noch einige Jubiläumsaspekte im Programm. KRITICUS hat diese „theatralische Matinee“ nicht besucht. Ja, das war’s dann eigentlich schon.

Nun hat der KRITICUS einmal nachgeforscht, was denn während der vergangenen Jubiläen 1902, 100 Jahre, und 1952, 150 Jahre Seebad Travemünde los war. Vor 100 Jahren wurde mehrmals kräftig gefeiert mit Fest und Galabällen, Umzügen und natürlich auch Feuerwerken. Die hatten wir in diesem Jahr ja auch mehrmals. Dann wurde damals, und das hält der KRITICUS für besonders wichtig, vom Bade-Ausschuß eine Festschrift für die „Gäste und Freunde des Seebades“ herausgegeben, die der damalige 1. Vorsitzende des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde Dr. Emil Paeprer zusammengestellt hatte und für jeden Mitbürger zugänglich war. Einige Exemplare existieren noch bei Travemünder Familien.

Diese Festschrift im Format DIN A4 schildert reich bebildert und ausführlich die Geschichte des Seebades, die ganz schön spannend ist.

Im Jahre 1952 lagen natürlich noch die Schatten des Krieges auf dem 150-jährigen Jubiläum. Das Städtchen war noch von Vertriebenen und Flüchtlingen überfüllt, manche Familien warteten noch auf ihre Väter und Söhne, die noch in russischer Kriegsgefangenschaft waren.

Trotzdem wurde dieses Jubiläum gefeiert. Im Kurhaus und in dem vor kurzer Zeit eröffneten Casino fanden Festveranstaltungen statt. Statt einer direkten Festschrift gab die Kurverwaltung mit Senator Herbert Merten DAS BUCH VON TRAVEMÜNDE heraus, welches der vielen alten Travemünder bekannte Lehrer Anton Meyer zusammengestellt hatte und das eine Fülle von Berichten, Geschichten und Gedichten über Travemünde enthielt. Das Büchlein wurde sogar in der Travemünder Stadtschule für den Heimatkunde-Unterricht verwendet. Leider ist diese Broschüre schon lange vergriffen, und die wenigen noch vorhandenen Exemplare werden sorgsam gehütet. Der KRITICUS besitzt auch eines.

Der Gemeinnützige Verein zu Travemünde und die Travemünder Liedertafel haben deshalb die vier Ausgaben des Jahres 2002 von Unser Travemünde auf dieses festliche Ereignis abgestimmt und entsprechend umfangreicher gestaltet.

Nun ist es natürlich leicht, im Nachhinein die magere Gestaltung des Jubiläumsjahres zu kritisieren, aber der KRITICUS schreibt diese Zeilen schon etwas für die Zukunft. Beim 250. Geburtstag des Ostseebades Travemünde, dem drittältesten in Deutschland, will er doch etwas mehr erleben. Das jedenfalls erhofft und wünscht sich der

KRITICUS.

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