Travemünde Ortschild

2004 – Heft 4 / 321

K R I T I C U S

hatte sich aus beruflichen Gründen sehr mit den pflanzlichen und tierischen Bewohnern unserer Erde beschäftigen müssen. Die Vielfalt und Schönheit der Geschöpfe hat er bewundert und bestaunt. Besonders hat ihn die Entwicklungsgeschichte dieser Mitlebewesen auf dem Globus interessiert. Schon als Kind hat er von Sauriern, Mammuts, aber auch von riesigen Schachtelhalmen und Bäumen geträumt und hat begriffen, daß die Einteilung in nützliche und schädliche Lebewesen nur vom menschlichen Nutzen und Schaden abhängig ist. Natürlich ist auch der KRITICUS nicht immer tolerant, bei Kopfläusen und Fußpilz kann er auch keinen Nutzen erkennen, was ja durchaus menschlich ist.

Er beobachtet aber mit Interesse, wie z. B. bei Straßenbauprojekten und ähnlichen Bauvorhaben, für die Grund und Boden benötigt wird, auch Tiere und Pflanzen, die dort leben, beachtet werden. Das ist auch gut so. Viele Natur- und Tierschutzver- bände achten mit Argusaugen darauf, ob wohl seltene Kreaturen dort zu Hause sind. Und das Erstaunliche ist, es kreucht und fleucht tatsächlich zwischen dem Trockenrasen oder Knicksträuchern manch seltenes Geschöpf herum. Der Grad der Seltenheit wird dann gesetzlich geregelt und entsprechende Bauauflagen erlassen. Das ist im Prinzip auch richtig, denn besonders durch den Straßenbau werden häufig große Ökosysteme getrennt und teilweise auch zerstört. Das geschieht natürlich auch bei dem Bau von Sport- und Parkanlagen und beim Bau von Häusern. Nun brauchen wir ja Wohngebäude, Straßen, Sportanlagen usw. Und hier beginnen dann die Konflikte. Denn findet ein Naturschützer auf diesen Grundstücken Trockenrasen oder einen Tümpel mit einem Feuersalamander, muß sich der Bauherr etwas einfallen lassen.

So erging es auch der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) in Travemünde. Bei Vorbereitungsarbeiten am Skandinavienkai entstand vor einigen Jahren an der Borndieksquelle ein kleiner Teich. Als nun die Erweiterungsarbeiten beginnen sollten, entdeckten Umweltschützer in demselben die klitzekleine Bauchige Windelschnecke. Und dieses, kleine niedliche Kriechtierchen steht unter Naturschutz. Der weitere Verlauf der Dinge ist bekannt. Der Ausbau des Hafens wurde gestoppt und verzögerte sich erheblich, bis die LHG sich bereit erklärte, Ausgleichsgewässer für die Schnecke, die auf einer Briefmarke der gesamten Republik vorgestellt wurde, zu schaffen. So weit, so gut. Drei neue Teiche sollten es sein.

In den Lübecker Nachrichten vom 23. Oktober 2004 war nun zu lesen: „Geschafft: Die Schnecke hat eine neue Heimat!“ Da hat sich der KRITICUS gefreut, zumal ein Ersatzgewässer am Brodtener Ufer entstanden war. Beim weiteren Lesen des Artikels erfuhr der geduldige Leser, daß diese Aktion 2 Millionen Euro, das sind nach alter Währung etwa 4 Millionen (4.000.000) DM gekostet hat. Das ist eine ungeheuere Summe. Die gewaltige Naturschutzbrücke für Tiere, die über die Verlängerung der A 20 gebaut werden wird, soll 2,5 Millionen Euro kosten, und da gibt es schon gewaltige Bedenken. Für 2 Millionen Euro hätte man alle reparaturbedürftigen Lübecker Turnhallen sanieren können, nur zum Vergleich. Wer hat diese riesige Summe bezahlt? Die LHG und damit auch der Steuerzahler? Das würde den KRITICUS interessieren. Er hätte es jedenfalls anders geplant und ausgeführt, auf alle Fälle aber erheblich preisgünstiger. In Lübecks Umgebung gibt es unzählige kleine und große Teiche und Seen. Dazu zählt der KRITICUS übrigens auch unsere beiden wunderschönen Teiche im Godewindpark. Unter diesen Gewässern wären bestimmte etliche, die für die Bauchige Windelschnecke geeignet gewesen wären. Die Umzugsaktion selbst hätte nur einen Bruchteil der Kosten ausgemacht. Aber der KRITICUS vermutet andere Motive hinter dem sturen Bestehen auf neue Ausgleichsflächen im Lübecker Nahbereich. Vielleicht wollte man nur den Ausbau des Skandinavienkais verhindern oder wenigstens verzögern. Letzteres ist ja auch gelungen. Dann hätte man gleich mit offenen Karten spielen müssen und dabei trotzdem der Bauchigen Windelschnecke helfen können.

Nun hat die Umzugsaktion begonnen. Fachleute und freiwillige Helfer sind mit dem „Umzug“ der Schnecken und Riedgräser (Seggen) voll beschäftigt. Dabei hat man mit Erstaunen festgestellt, daß der Bau der Hafenanlagen mit der riesigen Kranbrücke gleich nebenan die Schnecken überhaupt nicht gestört hat und sie sich prächtig vermehrt hatten. Aber das hat man nicht beobachtet, bevor ein solch kostspieliges Unternehmen gestartet wurde. Vor einigen Tagen erhielt der KRITICUS einen Brief vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz), der auch für die Bauchige Windelschnecke zuständig war, einen Spendenaufruf zum Schutze eines Abschnittes der Rügener Boddenküste. Eine Initiative, die der KRITICUS unterstützt. Auf die beigelegten kleinen Adressenaufkleber hätte er gerne verzichtet, denn sie kosten auch Geld, das dem Naturschutz hätte nützlich sein können, meint jedenfalls der

KRITICUS.

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