Travemünde Ortschild

2006 – Heft 4 / 329

K R I T I K U S

Frohen Herzens und beschwingten Schrittes geht der KRITIKUS an einem wunderschönen Herbstmorgen durch die Vorderreihe und wird auf den Kreuzfahrtterminal am Ostpreußen-Kai angesprochen. Geduldig hört er dem Travemünder zu, macht diesen und jenen Einwand, merkt aber nach einiger Zeit, dass dieses Gespräch nicht von einem Ergebnis gekrönt sein wird. Er verabschiedet sich freundlich und geht sehr nachdenklich seines Weges.

Ist er einer neuen Seuche auf der Spur? Sind die Symptome der neuen Volkskrankheit psychisch bedingt? Warum, so fragt er sich, erklären die Menschen fast immer wieso, weshalb und insbesondere warum etwas in Travemünde nicht machbar ist. Sollte er einen der niedergelassenen Ärzte aufsuchen und fragen ob es schon einen Impfstoff gegen diese Epidemie gibt. Just hat er sich ein Herz gefasst und will einen der Apotheker um Rat fragen, als er von einer Dame auf die Ferienhaussiedlung auf dem Priwall angesprochen wird.

Hier ist die Krankheit schon im fortgeschrittenen Stadium, denn die Potenzierung der Negationen scheint kaum noch zu überbieten. Auf den vorsichtigen Einwand, sie solle doch erst einmal abwarten bis alles fertig ist, die Straßen und die Grünanlagen gestaltet sind und sich dann einen Gesamteindruck verschaffen, erfolgt ein vehementer Ausbruch, denn im Übrigen sei das Ganze vollkommen unwirtschaftlich. Die Frage, wie hoch ihr Invest sei und ob sie eventuelle Verlustzuweisungen Einkommensteuer senkend verwende, wird dahingehend abgetan, dass sie erstens nicht beteiligt sei, es zweitens den KRITIKUS nichts angehe und drittens wegen der hohen Fährgebühr sowieso niemand dorthin fahren würde.

Zu diesem Zeitpunkt des Gespräches fürchtet der KRITIKUS, dass diese Form von Nihilismus ansteckend sei und bemerkt: Das sei aber schade, denn jeder Besucher mehr auf dem Priwall würde ja zur Kostendeckung der Fähre beitragen und damit ja die Priwallbewohner entlasten.

Die Fähre, das sei ein anderes Thema, die Autos, die Menschen und es gäbe sowieso keine Lösung und man sollte überhaupt nicht damit fahren, aber für dieses Thema habe sie jetzt keine Zeit. Sprach’s und enteilte … zur Fähre!

Der KRITIKUS lauscht in sich, denkt über Inkubationszeiten nach, bemerkt aber noch keine Anzeichen einer Ansteckung. Trägt er den Antivirus in sich?

Er denkt an einen Vortrag von Otto Herz und meint im folgenden Zitat das Gegenmittel gefunden zu haben:

Wer keinen Mut zum Träumen hat,
hat keine Kraft zum Kämpfen!

Und schon träumt der KRITIKUS von einem neu gestalteten Priwall mit Schwimmbad, niedrigeren Fährgebühren, einer Opernbühne auf der Trave, vielen Kreuzfahrern in der Vorderreihe und das alles mit vielen sauberen öffentlichen Toiletten.

Da erscheint ihm im Traum jemand, der ihm erklären will warum und weshalb Weihnachten in Travemünde nicht mehr gefeiert werden kann, er wacht auf und beschließt zu kämpfen, für den Adventskaffe im Gemeinnützigen Verein, für ein friedliches, harmonisches Weihnachtsfest im Kreise der Menschen, die ihm das ganze Jahr die Kraft gegeben haben, den Versuchungen der Antibewegung zu widerstehen.

Diese Kraft wünscht er Ihnen auch und verbleibt mit den besten Wünschen für ein fröhliches Weihnachtfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr

Ihr KRITIKUS.

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