St.-Jürgen-Straße Nr. 5

Travemünder Häuser Nr. 46 Teil 2

Fortsetzung Teutendorfer Siedlung

Im Heft 3/2000 stellten wir Ihnen mit dem Hause St. Jürgen-Str. Nr. 5 sozusagen die „Keimzelle“ der Siedlung mit den ersten Häusern aus dem Jahre 1935 vor, unser Bericht wäre aber unvollständig, wenn wir nicht auch über die weitere Entwicklung dieses Ortsteils von Travemünde berichten würden, die eng mit der ständig wachsenden Einwohnerzahl, vor, während und besonders nach dem schrecklichen Kriege 1939 bis 1949 verknüpft war.

Ergänzend muß aber erwähnt werden, dass auch in anderen Teilen des Städtchens schon vor 1939 ähnliche Siedlungshäuser gebaut wurden, z. B. in der Fehlingstraße zwischen dem Parkhotel und gegenüber der Einmündung des Mühlenberges, sowie auch am Gneversdorfer Weg. Alle Wohnhäuser dienten der Unterbringung der Personen mit ihren Familien, die bei der Lufthansa und der E-Stelle (Erprobungsstelle) der Luftwaffe auf dem Priwall beschäftigt waren. Deswegen will ich noch einmal auf die damit verbundene Veränderung der Bevölkerungsstruktur von Travemünde eingehen und beziehe mich daher auch auf die Chronik der Travemünder Siedlung am Teutendorfer Weg, die Jürgen Meier zusammengestellt hat! Ab 1934 waren es vor allen Dingen zwei Ereignisse, die das sprunghafte Anwachsen Travemündes und seiner Einwohnerzahl maßgeblich verursachten. Das ehemals vornehmlich auf die Entwicklung des Kur- und Badebetriebes ausgerichtete Seebad bekam ein zweites Gesicht, das von der Luftfahrt geprägt wurde.

Finnen-Siedlung
Finnen-Siedlung

Die für den Aufbau der Luftwaffe verantwortlichen Dienststellen fanden auf dem Priwall günstige Voraussetzungen für den Aufbau einer militärischen E-Stelle, vornehmlich die seit 1928 auf der Halbinsel arbeitende Niederlassung der Deutschen Forschungsanstalt für Luftfahrt und die Lufthansa mit der damals weltgrößten Flugzeughalle für das zwölfmotorige Flugboot DO-X auf dem für Land- und Wasserflugzeuge konzipierten großen Flugplatzgelände auf dem Festlande und in der Pötenitzer Wiek. Jenseits der Priwallgrenze auf dem Mecklenburger Gebiet entstand das Luftwaffenzeugamt. Bis 1939 waren etwa 2750 Beamte, Angestellte und Arbeiter für diese Betriebe tätig, von denen etwa 1200 mit ihren Familien als Wohnungssuchende für das Seebad Travemünde ein echtes Problem darstellten.

Das zweite Ereignis war der katastrophale Zusammenbruch des sogenannten „Dritten Reiches“ mit dem damit verbundenen Flüchtlingsstrom und der von der britischen Militärregierung befohlenen Demontage der Flugplatzanlagen und E-Stellen-Einrichtungen. Die Kasernen, in dem heute das Priwall-Krankenhaus sein Zuhause hat, entgingen nur knapp der Sprengung dank des energischen Einsatzes Travemünder Bürger.

Neben der Teutendorfer Siedlung entstanden auch in anderen Travemünder Ortsteilen neue Wohngebiete zuerst für die auf dem Priwall beschäftigten Menschen und ihre Familien, dann nach 1945 für die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten z. B. auf dem Baggersand, in der Boelkestraße, Am Mühlenberg, Steenkamp und am Gneversdorfer Weg. Aber auch die Teutendorfer Siedlung dehnte sich immer weiter aus.

Rote Siedlung
Rote Siedlung

In den Jahren 1935/36 baute die „Mecklenburgische Heimstätte“ rechts des Teutendorfer Weges eine Siedlung mit 80 Häusern aus heimischen Ziegelsteinen, die deswegen „Rote Siedlung“ hieß, im Unterschied zur 1937 errichteten „Weißen Siedlung“ mit 100 Häusern.

Eine interessante Variante entstand 1942/43 am Kiekeberg, mit dem Bau von 32 Holzhäusern, der „Finnen-Siedlung“, mit etwa 70 qm Wohnfläche auf 600 qm großen Grundstücken.

Finnlandhaus
Finnlandhaus

Viele alte Travemünder erinnern sich noch an die 1945/46 mit Behelfshäusern errichteten Siedlung an der Siechenbucht für 78 Flüchtlingsfischerfamilien aus Pommern und von der Halbinsel Hela mit ihren kleinen Nerzfarmen. Diese Häuser mussten dem Bau des Skandinavienkais weichen, die Fischerfamilien wurden zum großen Teil in neue Häuser in der Teutendorfer Siedlung umquartiert. Später entstanden z. B. in der Verlängerung des „Krautackers“, an der Lindwurmstraße etliche Wohnblöcke und Einfamilienhäuser. Auch „An der Bäk“, am Rönnauer Ring und direkt am Teutendorfer Weg wurde fleißig gebaut, u. a. auch ein eigenes Pastorat mit Gemeindehaus und Kindergarten, bis die Siedlung schließlich ihre heutigen Ausmaße erreichte.

Von der ersten Grundstücklegung bis heute sind über 65 Jahre vergangen. Obwohl in der Siedlung schon mehrere Generationen gelebt haben, bilden die Menschen immer noch so etwas wie eine große Familie, was sie bei ihren Zusammenkünften und Siedlerfesten immer aufs Neue dokumentieren.

Möge es auch in der Zukunft so bleiben zum Gesamtwohle von Travemünde und seiner Bürger.

Helmuth Wieck

zurück zur Übersichtsseite Portraits Travemünder Häuser