Travemünder Häuser Nr. 50
Kurgartenstraße Nr. 91-95
In dem kleinen Büchlein Travemünde und die Seebadeanstalt daselbst von Dr. med. et chir. F. Lieboldt aus dem Jahre 1841, das wir an anderer Stelle ausführlich vorstellen, können wir lesen, daß es in Travemünde in diesem Jahre 230 Wohnhäuser gegeben hat, die Gebäude der Badeanstalt nicht mitgerechnet. Weiter erfahren wir, daß die Bauart derselben höchst unterschiedlich war. Dr. Lieboldt beschreibt diesen Zustand mit folgenden Worten: „Mitunter ist die Bauart noch sehr alt, unbequem, selbst dürftig, während die andere neu, bequem, reinlich, selbst elegant ist. Erstere sieht man mit wenig Ausnahmen in der Thorstraße, in dem älteren Theil der Hinterreihe und der Vorderreihe, letztere dagegen mehr in der Vorderreihe und dem neueren Theile der Hinterreihe.“ Soweit der Herr Doktor, der natürlich von Rechtschreibereformen noch wenig wußte.
Der neuere Teil der Hinterreihe, heute Kurgartenstraße, begann bei der Rose, die als Festungsanlage bis zum 18. Jahrhundert gleichzeitig Stadtgrenze war. Erst danach wurden Vorder- und Hinterreihe in Richtung Leuchtenfeld stetig verlängert bis hin zu den neuen Festungsanlagen am heutigen Lotsenberg. Viele noch zu Lieboldts Zeiten stehenden Häuser im älteren Teil Travemündes sind inzwischen im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert entweder modernisiert oder durch Neubauten ersetzt worden.
Dazu gehört auch die Häusergruppe Kurgartenstraße 91-95. Neben Meincke & Jaacks hatte bis 1965 die Zweigstelle Travemünde der Sparkasse zu Lübeck ihre Geschäftsräume, bevor sie in ihr heutiges Quartier Rose 2/Ecke Vorderreihe 51 umzog. Die Geschichte der Sparkasse ist eng verbunden mit der Travemünder Liedertafel und des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde, denn bereits im Jahre 1850 entschlossen sich mehrere Herren des Gemeinnützigen Vereins der Travemünder Liedertafel nach dem Vorbild der Lübecker Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit, den langgehegten Wunsche nach einer speziell auf die Travemünder Bevölkerung ausgerichteten Sparkasse in die Tat umzusetzen.
Bis zum März 1937 konnte die Sparkasse zu Travemünde ihre Selbstständigkeit behaupten. Am 1. April 1937 aber mußte man in den Lübecker Tageszeitungen folgende Ankündigung lesen: „Dem Wunsche des Herrn Reichskommissars für Kreditwesen entsprechend und im freundlichen Einvernehmen mit der Vorsteherschaft geht die Sparkasse zu Travemünde von 1850 auf die Spar- und Anleihekasse zu Lübeck über und wird als Zweigstelle der Spar- und Anleihekasse zu Lübeck weitergeführt. Der Gemeinnützige Verein der Travemünder Liedertafel wird als Gemeinnütziger Verein zu Travemünde e. V. der Gesellschaft zu Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit angegliedert.“ Damit verlor die Sparkasse zu Travemünde ihre Selbständigkeit und wurde dritte Filiale der Sparkasse zu Lübeck, der Gemeinnützige Verein zu Travemünde wurde Tochtergesellschaft der Gesellschaft zur Beförderung Gemeinnütziger Tätigkeit in Lübeck.
In den beiden Häusern Kurgartenstraße 91 und 93 befand sich bis etwa 1925 der Betrieb von Schlachtermeister Spapelfeld. Vielen älteren Travemündern ist noch der damalige Wehrführer der Travemünder Freiwilligen Feuerwehr Oberbrandmeister Hans Stürtzel bekannt, der als Mechanikermeister zuständig war für die Reparatur der Travemünder Fahrräder. Nach dem Kriege hatte er seine Werkstatt gegenüber im Peerstall und betrieb lange Zeit das einzige Taxi am Ort, einen alten Citroen, der viele Hochzeitspaare zur Kirche gebracht hat. Ebenfalls hatte der Konsum seine Verkaufsstelle in dem Hause. Er mußte sie nach 1933 aus politischen Gründen schließen. Und dann reparierte auch noch der Schuhmacher Bülow in dem Hause die Schuhe der Travemünder, bis dann später die Sparkasse in diese beiden Häuser einzog.
Das Haus Kurgartenstraße 95 wurde Ende des 19. Jahrhunderts, genauere Angaben konnte der Chronist nicht ermitteln, wahrscheinlich auf alten Fundamenten errichtet und war das Stammhaus des Geschäftes für Manufaktur-, Modewaren, Wäsche, Aussteuerartikel Meincke & Jaacks. Direkt neben dem 1892 erbauten Postamt gelegen, war es auch wegen seiner zentralen Lage schon bald beliebte Familieneinkaufstätte. 1914 öffneten sich zum ersten Mal die Pforten des von Albert Meincke und Wilhelm Jaacks (gest. 1951) gegründeten Geschäftes. Das Haus, in dem vorher der Uhrmachermeister Beuthien sein Geschäft hatte und bis 1909 die private Mädchenschule von Fräulein Eißfeld untergebracht war, war natürlich umgebaut und ganz modern eingerichtet worden. Albert Meincke hatte praktisch nur seinen Namen und sicherlich auch Kapital eingebracht, denn das Geschäft wurde von Beginn an von Wilhelm Jaacks und seiner Familie geführt.
Das Kaufhaus Meincke & Jaacks hatte sein Sortiment durch den Verkauf von Schuhen erweitert und den Alleinvertrieb der bekannten Firma SALAMANDER übernommen. Der erste Weltkrieg und die Inflation von 1923 waren naturgemäß für das Geschäft sehr ungünstig. Diese schwere Zeit aber wurde überwunden, und bald war Meincke & Jaacks auch für Kurgäste eine beliebte Einkaufsstätte. Das Familienunternehmen überstand auch die schlimmen Jahre der Kriegs- und Nachkriegszeit des 2. Weltkrieges.
Nach dem Tode von Wilhelm Jaacks 1951 übernahm dessen Sohn Hans-Joachim Jaacks das Geschäft und führte es in alter Familientradition weiter. Als im Jahre 1965 die Sparkasse zu Lübeck ihr neues Haus an der Rose/Ecke Vorderreihe bezog, übernahm Hans-Joachim Jaacks die Häuser Kurgartenstraße 91 u. 93 und erweiterte damit die Geschäftsräume, so wie sie sich heute noch nach ständigen Modernisierungen dem Kunden von Nah und Fern präsentieren.
Fünfzig Jahre leitete Hans-Joachim Jaacks zusammen mit seiner Frau Christel das Geschäft, bevor er im Jahre 2001 die Leitung und Verantwortung an Tochter Christine Jaacks-Mirow übergab, was natürlich nicht heißt, daß die Senioren ihre Hände ganz in den Schoß gelegt haben. Da bereits ein Enkel in dem Hause aufwächst, scheint dem Weiterbestehen der Familientradition wohl nichts mehr im Wege zu stehen.
Unser Wunsch ist es jedenfalls, daß die Häuser Kurgartenstraße 91/95 und das Kaufhaus Meincke & Jaacks noch viele Jahre weiter bestehen mögen, auch zum Wohle Travemündes und seiner Einwohner.
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