Am Dreiliongsberg 7 - Praxisklinik Travemünde

Travemünder Häuser Nr. 65

Am Dreilingsberg 7

Praxisklinik Travemünde

Auch wenn in Presse und Fernsehen über die neue Praxisklinik Travemünde schon viel berichtet worden ist, muß ich als Chronist auch in Unser Travemünde darüber schreiben, damit dieses historische Ereignis von uns noch einmal dokumentiert wird, denn viele Mitbürger sammeln die Hefte von UT, und besitzen damit eine wundervolle und umfassende Geschichte unseres alten Städtchens. Aber sicher gibt es auch noch etliche Leser, die über unser neues Krankenhaus und seine Betreiber informiert werden wollen.

Bis 1945 nach Kriegsende gab es in Travemünde noch kein Krankenhaus. Im Bedarfsfall mußten die Patienten nach Lübeck in die städtischen Krankenhäuser Süd in die Kronsforder Allee oder Ost an der Ratzeburger Allee transportiert werden.

Nach der Übernahme der Seeflugzeug-Erprobungsstelle Travemünde des RDL (Reichsverband der Deutschen Luftfahrtindustrie) durch die neue Luftwaffe der Wehrmacht, wie das deutsche Heer seit 1935 genannt wurde, wurde der zivile Teil des Flughafens auf dem Priwall geschlossen und nur für militärische Zwecke genutzt. Der Priwall wurde zum Sperrgebiet erklärt. Da auf der E-Stelle See bis zu 1500 Fachleute und Soldaten stationiert waren, die mit ihren Familien in Travemünde auch wohnten, wurden neue Häuser für die vielen Menschen gebaut. Die Bevölkerung Travemündes wurde mit den Jahren bis zum Krieg immer größer. Für die medizinische Versorgung der Kranken standen der E-Stelle Krankenstationen und Lazarette der Luftwaffe zur Verfügung, die auch von den Zivilangestellten in Anspruch genommen werden konnten.

Die Sachlage änderte sich schlagartig nach Kriegsende 1945, als Tausende von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten über See und Land nach Travemünde kamen. Der Ort hatte bis Kriegsende schon mehrere hundert Menschen aufnehmen müssen, die durch die Bombenangriffe auf Lübeck und Hamburg wohnungslos geworden waren. Es gab kein Haus in Travemünde, das nicht mit den bedauernswerten Menschen vom Keller bis zum Dachstuhl belegt war.

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung, die in Travemünde auf etwa 20.000 Menschen angewachsen war, brach schlichtweg zusammen. Da die Ernährungslage sehr schlecht war, bestand auch in erhöhtem Maße Seuchengefahr. Die Krankenhäuser in Lübeck waren natürlich auch überbelegt, so daß Travemünder kaum Aussicht auf eine Aufnahme hatten. Das erkannte natürlich auch die Führung der britischen Besatzung. Einige Travemünder Hotels waren zu Lazaretten umfunktioniert worden, in denen britische Soldaten behandelt wurden. In ganz seltenen Fällen wurde auch mal ein deutscher Mensch behandelt, der bei den Engländern Beschäftigung gefunden hatte.

Zuerst wurde ein Schiff, der Knurrhahn, zur schwimmenden Krankenstation umfunktioniert. Der Kahn lag am Anfang der Vorderreihe am Traveufer. Dieses Provisorium war natürlich völlig unzureichend. Deshalb stellte die britische Kommandantur das Hotel Kurgartenhaus, das die Briten vorher selbst genutzt hatten, dem Ort zur Verfügung. Das Haus stand am Lotsenberg, Ecke Kurgartenstraße gegenüber dem Luftschutzbunker, der heute als Wohnhaus dient. Hier waren die medizinischen Möglichkeiten doch erheblich besser.

Auf dem Priwall hatten die Engländer begonnen, alles zu zerstören, was mit der E-Stelle und der Luftwaffe zu tun hatte. Dazu gehörten auch die Kasernen an der Mecklenburger Landstraße, die man für die Soldaten der Luftwaffe gebaut hatte. Sie waren vorzüglich erhalten und sollten trotzdem zerstört werden.

Dank der Bemühungen des damaligen Bürgermeisters von Lübeck Ritter und des Vorstandes des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde unter dem Vorsitz von dem Ehrenmitglied Erich Bremer, der in diesem Jahr seinen 105. Geburtstag feiern konnte, erklärten sich die Engländer bereit, auf die Sprengung der Gebäude zu verzichten, damit die Hansestadt Lübeck das dringend benötigte Krankenhaus in den Räumen der ehemaligen Luftwaffen-Kaserne einrichten konnte. Das geschah vor 57 Jahren im November 1948. Da das Haus auch eine Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe besaß, erblickten viele Travemünder das Licht der Welt auf dem Priwall.

Über die wechselhafte Geschichte des Krankenhauses Priwall haben wir in Unser Travemünde mehrmals berichtet. Die Einwohnerzahl Travemündes sank während der nächsten Jahrzehnte kontinuierlich und liegt heute bei etwa 13.000 Bürgern.

Da die Bettenzahl der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein angeblich zu groß war, wurde in einem Krankenhaus-Bedarfsplan festgelegt, wo Einsparungen vorgenommen werden konnten, zumal die meisten Häuser erhebliche Zuschüsse benötigten.

1990 wurde auch unser Priwall-Krankenhaus mit seinen 129 Betten in den Bedarfsplan aufgenommen und damit das Weiterbestehen des Hauses vorerst gesichert. Es begann eine sehr intensive Bauplanungsphase zur Renovierung der nicht mehr zeitgemäßen Gebäude. Im Jahre 1996 sollte mit den Renovierungsarbeiten begonnen werden, aber kurz vor Beginn der Maßnahme stoppte die Landesregierung den Baubeginn wegen eines neuen Gutachtens, das sich an den Belegzahlen der Krankenhäuser und der Finanzierungs- problematik orientierte.

Wegen angeblich ausreichender Kapazitäten im Städtischen Krankenhaus Süd wurde empfohlen, das Priwall-Krankenhaus zu schließen. Wegen des massiven Protestes der Travemünder Bevölkerung, 12.000 Unterschriften wurden gesammelt, und der Tatsache, daß das Krankenhaus Süd keine Überkapazitäten zur Verfügung hatte, konnte die Schließung noch einmal aufgeschoben werden. Allerdings verlor das Priwall-Krankenhaus aus finanziellen Gründen seine Selbständigkeit, und im Jahre 2001 erfolgte die Fusion mit dem Krankenhaus Süd, das hieß, die Verwaltung und Versorgung wurde von Lübeck aus organisiert. Das half natürlich bei der Kosteneinsparung. Auch die Verpflegung erfolgte nun über Lübeck, weil auch die Küche geschlossen wurde. Darüber waren viele Patienten sehr traurig, denn der Travemünder Koch hatte einen hervorragenden Ruf und sorgte mit seinem Team für abwechslungsreiche und schmackhafte Verpflegung. Da die Gebäude auf dem Priwall in der Unterhaltung schlichtweg zu teuer wurden, beschloß die Landesregierung, ein neues Krankenhaus auf der Altstadtseite von Travemünde zu bauen. Die Standortfrage wurde im Vorfeld heftig diskutiert und die verschiedensten Vorschläge unterbreitet, die zum Teil recht kurios waren.

Im Frühjahr 2002 wurden die Städtischen Krankenanstalten von Lübeck, das Krankenhaus Süd und das Priwall-Krankenhaus von dem Sana-Kliniken-Verbund übernommen. Dieser Verbund ist eine private Unternehmung, die als GmbH und Co. KG aA geführt wird und gehört zu den drei größten Klinikbetreibern Deutschlands. Nach ausgiebiger Grundstückssuche für den Neubau eines Krankenhauses fiel die Entscheidung zugunsten des neuen Gewerbegebietes am Gneversdorfer Weg aus. Da war gegenüber des Moorredders eine neue Straße entstanden mit dem schönen Namen Am Dreilingsberg. Dieses große Grundstück hat natürlich auch ein interessante Geschichte, wie alles in unserem schönen Travemünde.

Der Gneversdorfer Weg war tatsächlich einmal vor etwa dreißig Jahren eine ziemlich schmale asphaltierte Straße, die an der Gneversdorfer Mühle vorbei nach Gneversdorf führte. Da, wo etwa heute das Dänische Bettenhaus, Neukauf und Aldi ihre großen Verkaufsstellen haben, stand früher die Ziegelei Schütt. Das daran anschließende Grundstück und die Fläche auf der anderen Seite des Gneversdorfer Weges, eben da, wo das neue Gewerbegebiet entstanden ist, weidete das Rindvieh von Schlachtermeister Lohff, etwa 70 Kühe auf der linken Straßenseite und auf der anderen Seite hinter Schütt ebenso viele Kälber. Alle warteten darauf, einmal in den Kochtöpfen und Bratpfannen der Travemünder, Lübecker und umliegender Dörfer Bevölkerung zu landen. Aber das ist einige Jahrzehnte her. Der Brodtener Kirchsteig zwischen Mühlenberg und Moorredder ist heute eine hübsche Wohnstraße, führte früher aber weiter – mehr als Trampelpfad – über die Felder bis nach Brodten. Der Bauer durfte den Weg nicht unterpflügen und mußte sogar für Übergänge über die Koppelzäune sorgen. Aber das nur am Rande.

In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die neue B 75 geplant und gebaut. Dadurch veränderte sich die Landschaft mit den Grundstücksgrenzen enorm. Der Gneversdorfer Weg wurde am oberen Ende verbreitert und verlegt, damit er nahtlos in die als Autobahn ausgebaute B75 übergehen konnte. Auf der rechten Seite entstand im Laufe der Zeit ein neuer Stadtteil und gegenüber das Gewerbegebiet, auf dem jetzt die neue Praxisklinik steht.

Aber mehrere Jahre passierte auf dieser nichts, bis sich die Firma Kuschinsky hier niederließ. Es entstand eine große Bäderschau und ein Abholmarkt für Haustechnik. Gleichzeitig wurde die große Straßenkreuzung Moorredder/Gneversdorfer Weg entsprechend umgebaut und mit einer Ampel am Dreilingsberg versehen. Kuschinsky hat die Hausnummer 1. Nach längerer Grundstückssuche entschied sich der Vorstand der Sana-Kliniken für das Grundstück Nr. 7.

Mit Hilfe eines Investors konnten die Bauarbeiten für das neue Krankenhaus begonnen werden. Am 23. September 2005 wurde die Praxisklinik Travemünde, wie das neue Haus offiziell heißt, von der Sozialministerin des Landes Schleswig-Holstein Dr. Gitta Trauernicht im Beisein vieler Mitarbeiter und Gäste feierlich eröffnet und am Sonnabend, den 24. September mit einem Tag der offenen Tür den Travemündern übergeben. Damit erhielt unser Städtchen sein viertes Krankenhaus, wenn wir den Knurrhahn großzügigerweise mitzählen.

Mit der Praxisklinik ist für Travemünde und Umgebung eine medizinische Versorgungs- einheit entstanden, für die es im weiteren Umkreis keine ähnliche Einrichtung gibt. In modernen Zimmern, selbstverständlich alle mit einer Nasszelle versehen, können 40 Patienten aufgenommen werden. Für die internistische und chirurgische Versorgung sind die Mitarbeiter der Sana verantwortlich. Dr. med. J. Gieselmann, den Travemündern noch aus dem Priwall-Krankenhaus bekannt, leitet auch hier als Chefarzt das Krankenhaus. Die Patienten werden erfreut feststellen können, daß viele Mitarbeiter des Priwall-Krankenhauses im neuen Hause arbeiten. Direkt an den stationären Teil schließt sich die modernst eingerichtete Operationseinheit an, mit der die chirurgische Grundversorgung gewährleistet werden kann. In dem Hause befinden sich noch fünf Praxen, die, unabhängig aber selbstverständlich in Zusammenarbeit mit der Klinik, allen Bürgern ihre medizinischen Dienste anbieten.

Zur Zeit bestehen folgende Praxen:

  • Dialysezentrum Travemünde
  • Chirurgisch-Orthopädische Praxisgemeinschaft
  • Internistische hausärztliche Gemeinschaftspraxis
  • Ostsee-Medizintechnik
  • Therapiepraxis Travemünde.
  • Ab Januar 2006 Hals-Nasen-Ohren-Praxis

Und dann bieten die Sana Kliniken noch ihren ambulanten Dienst Sana Mobil an.

Die im Hause befindlichen Fachpraxen für Chirurgie und internistische Medizin wirken in den stationären Bereich hinein, während umgekehrt in den Abend- und Nachtstunden Ärzte und Pflegekräfte der Sana die ambulante Notfallversorgung gewährleisten. Zudem ist gesichert, dass auch tagsüber für die stationären Patienten die diagnostischen Möglichkeiten in den Praxen genutzt werden können.

Die medizinischen Sachverhalte hat der Chronist einem Bericht von Herrn Dr. med. Gieselmann entnommen, der in der Lübecker Stadtzeitung erschienen ist. In einem Gespräch mit ihm konnten zusätzliche Kenntnisse gewonnen werden. Ich will das Portrait über die neue Praxisklinik Travemünde deswegen auch mit den letzten Sätzen von Dr. med. J. Gieselmann beenden und ihm und seinem Team alle guten Wünsche für die Arbeit zum Wohle der Travemünder Bevölkerung mit auf den zukünftigen Weg geben: „Die in der Praxisklinik übernommenen Pflegekräfte und Ärzte werden danach trachten, die besondere Atmosphäre des Priwall-Krankenhauses, die den Patienten ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit in schweren Krankheitstagen vermittelt hat, zu bewahren, eine sicher nicht ganz leichte Aufgabe, der wir uns aber zuversichtlich stellen werden.“

Helmuth Wieck

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