Travemünder Häuser Nr. 76
Trelleborgallee 2a
Lübecker Yacht-Club (LYC)
Womit verbindet man Travemünde als Erstes? Natürlich wegen der Lage an Fluß und Meer mit Wasser und damit mit allen Aktivitäten maritimer Art. Travemünde verfügt nicht nur über Europas größten Fährhafen, sondern auch über die zweitgrößte Segelveranstaltung der Welt, die Travemünder Woche.
Veranstalter ist der Lübecker Yacht-Club(LYC), der 1898 gegründet wurde und somit auf ein 110jähriges Bestehen zurückblicken kann. Erster Vorsitzender war Hermann Fehling, seinerzeit Präses der Handelskammer, in Travemünde bekannt wegen der nach ihm benannten Strasse, dem Fehlingstein vor dem Aquatop und der Hermannshöhe.
Nun werden Sie sich wundern, warum in Travemünde in diesem Jahr die 119. Travemünder Woche begangen wurde, wenn der LYC doch erst 1898 aus der Taufe gehoben wurde. Grund ist, dass es in Travemünde bereits neun Jahre vorher ein Regattageschehen gab. Als Ursprung der Travemünder Woche wird ein Segelwettbewerb zweier Mitglieder des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV)um eine Flasche Rotspon angesehen (eine Tradition, die auch heute noch fortgesetzt wird). Im August 1890 fand eine erste durch den NRV geplante Regatta statt. Durch Kaiser Wilhelms II. Segelbegeisterung wurde der Regattasport populär und die Travemünder Regattatage wurden durch die Anwesenheit des Kaisers zu Festtagen für die Lübecker und Travemünder Bevölkerung. So gab Kaiser Wilhelm auch 1897 den Anstoß, in Lübeck einen eigenen Segelclub zu gründen.
Natürlich machte man sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts im LYC Gedanken, in Travemünde ein eigenes Clubhaus und einen Yachthafen zu erbauen. Ab 1901 nahm man vorläufig mit einem kleinen neu angeschafften Kutter namens „LOM“ vorlieb. 1904 beschäftigte sich der Lübecker Senat erstmalig offiziell mit dem Gedanken des LYC, in Travemünde einen Yachthafen zu bauen.
Das Verfahren mutet seltsam modern an, denkt man an die Umsetzung aktueller Bauvorhaben: immer wieder wurden die Vorschläge des LYC abgeschmettert und der seitens des Bauamts kontaktierte Travemünder Bootsbauer Schlichting jr. wurde barsch aufgefordert, sich gefälligst(!!) im Büro des Bauamts einzufinden.
1909 war es dann endlich soweit, es konnte ein „bescheidenes Bootshaus“ in Travemünde errichtet werden. Fünf Jahre lagen zwischen den ersten Planungen und der Fertigstellung. Zunächst konnte man sich nicht über den Ort, Lübeck oder Travemünde, einigen. Gegen Travemünde sprachen die schlechten Zugverbindungen, vor allem am Abend. Ein weiteres Problem stellten die geringen finanziellen Mittel des Vereins dar.
Das erste Clubhaus enthielt jeweils ein Ankleidezimmer für die Damen und Herren, ein Empfangszimmer und ein Büro, zusätzlich einen großen Raum zum Trocknen der Segel. Finanziert wurde es „unter freundlicher und uneigennütziger Mitarbeit“ des Architekten Sönnichsen durch Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 5000 RM, deren Tilgung in jährlichen Raten vorgesehen war. Ebenfalls 1909 wurde an der Wakenitz ein Bootsschuppen, gedacht für die Unterbringung der Boote für die Junioren, fertiggestellt.
Währenddessen, zur Travemünder Woche 1909, konnte nach Fertigstellung des Travemünder Clubhauses die „Meteor“ des Kaisers bestaunt werden.
Nahm bis zum Beginn des 1. Weltkrieges 1914 die Regattatätigkeit so lebhaft zu, dass eine Erweiterung des Yachthafens in Erwägung gezogen wurde, ruhte diese Tätigkeit auf der Ostsee während dessen Dauer, so dass der nächste Jahresbericht erst aus dem Jahre 1919 stammt. Es ist aber davon auszugehen, dass zwischen 1914-1918 Wassersport auf der Wakenitz und der Trave stattgefunden hat. Äußerst unwahrscheinlich ist dies für die zuvor in das Revier aufgenommene Pötenitzer Wiek, da sich auf dem Priwall seit 1914 eine Flugzeugwerft mit einer Fliegerschule befand.
1919 wurde der Lübecker Yacht-Club mit dem Segelverein Lubeca verschmolzen, wobei der Name Lübecker Yacht-Club nun für den verschmolzenen Club galt.
Eine Sammlung unter den Mitgliedern für den Ausbau des Travemünder Clubhauses erbrachte eine erhebliche Geldsumme. Wieder einmal blockierte das Bauamt den Ausbau, so dass dieser mit einem Gesellschaftsraum und einer kleinen Wohnung für den Bootsmann erst 1921 verwirklicht werden konnte.
1920 zählte der LYC 308 Ordentliche und 24 Jugendmitglieder. Da das LYC-Bebäude nur als reines Bootshaus diente, mußten die Clubveranstaltungen in unterschiedlichen Restaurants durchgeführt werden.
1921 wurde die Veranda am Clubhaus in Travemünde fertiggestellt. Auch die Travemünder Woche konnte wieder an die glanzvollen Vorkriegszeiten anknüpfen, wobei jetzt die Yacht „ALESHA“ von Prinz Heinrich von Preußen Furore machte.
1924 wurde endlich zu Beginn der Travemünder Woche eine Wasserleitung zum Clubhaus verlegt, um ein Spülklosett zu betreiben und eine Wascheinrichtung zu betreiben.
Trotz sinkenden Mitgliederstandes (von 400 auf 364) beschloß der Vorstand des LYC, auch in Lübeck ein eigenes Clubheim zu erwerben und kaufte eine als Ausstellungsobjekt für die 700-Jahr-Feier der Reichsfreiheit Lübecks genutzte Kogge. Diese wurde in der Trayag-Werft in Travemünde für ca. 20.000 RM für ihre zukünftige Aufgabenstellung als Clubheim umgearbeitet und am 19.12.1926 feierlich nach Lübeck überführt.
1930 war die wirtschaftliche Lage so schlecht, dass es erstmalig kein gedrucktes Programm zur Travemünder Woche mehr gab.
Ansonsten gab es 1930 immer noch kein Trinkwasser im Bootshaus in Travemünde, ebensowenig wie elektrisches Licht. Auch die Uferpromenade war natürlich nicht beleuchtet, so dass das Bauamt Lübeck eine entsprechende Aufforderung der Travemünder erhielt.
Mit der Herrschaft der Nationalsozialisten änderten sich zunächst die Flaggenführung – die Hakenkreuzfahne wurde Pflicht – und die Satzung: aus dem Vorstand wurden Führer und Führerbeirat. Sog. Nichtarier mußten aus führenden Stellen ausgeschlossen werden.
1939 wurde die vorerst letzte Friedensregatta gesegelt, 1940 und 1941 starteten „Travemünder Kriegsregatten“, bei denen Stahlyachten und Holzschiffe mit mehr als einer Tonne Eisenkiel verboten waren, u.a. auch deshalb, weil die Engländer in der Lübecker Bucht Magnetminen abgeworfen hatte.
Bei dem britischen Bombenangriff auf Lübeck an Palmarum 1942 verbrannte auch ein Großteil des Archives des LYC. 1942 war zwar noch eine Travemünder Woche ausgeschrieben, sie wurde aber nur als Wochenendwettfahrt durchgeführt.
Mit Ende des 2. Weltkriegs wurde auch das Clubhaus des LYC in Travemünde (ebenso wie das in Lübeck) von der englischen Besatzungsmacht beschlagnahmt, da in Lübeck – auch wegen der Flüchtlingsströme – akuter Wohnraummangel herrschte. In Lübeck und Travemünde ruhte das Seglerleben bis 1948. Nachdem die Beschlagnahme des Bootshauses am 18.Mai 1949 – aufgehoben worden war, stellten die Vereinsmitglieder fest, dass alle Möbel, wohl von der frierenden Bevölkerung, verheizt worden waren! So wurde neben immensen Aufräumarbeiten auch die Anschaffung neuen Mobiliars erforderlich. Mangels Geld wurden die Mitglieder gebeten, ihren Möbelbestand zu überprüfen und nicht benötigtes zu spenden, allerdings ohne Erfolg!
1949 fand dann die erste Travemünder Woche nach dem Krieg statt. Eine kurze Zeit des Zitterns erlebte der LYC, als die Stadt Lübeck im Frühjahr 1951 plante, auf dem vom LYC bislang genutzten Gelände Abfertigungs- und Lagerhallen, Parkplätze und Bushaltestellen zu bauen. Im Juli 1952 konnte Entwarnung gegeben werden, die Hansestadt hatte anders entschieden.
1954 wurde das Clubhaus renoviert und u.a. mit einer Terrasse versehen. Im Dezember 1957 wurde das Leuchtenfeld und mit ihm das Clubhaus überschwemmt.
1958 wurde seitens der Clubmitglieder ein Aus- und Umbau des Clubhauses beabsichtigt. Wie nicht anders zu erwarten, hatte die Hansestadt Lübeck auch diesmal Einwände: der Landhausstil müsse erhalten bleiben, da das Leuchtenfeld ein großes Gebäude landschaftlich nicht tragen wurde. Nur zur Erinnerung: nur etwas mehr als 10 Jahre später wurde der Bau des Maritim rund 500 m weiter abgenickt!
Ende 1965 waren die An- und Umbauarbeiten am Clubhaus beendet, allerdings stellte sich heraus, dass der Yachthafen auf der Travemünder Seite aus allen Nähten platzten. So hoffte man auf eine Marina an der Pötenitzer Wiek, an deren Verwirklichung die Lübecker Stadtplaner arbeiteten. Dazu kam es bekanntlich nicht.
Zu Beginn der 80er Jahre zeigte sich, dass wegen der ständig wachsenden Aufgaben das Clubhaus vergrößert werden mußte. Zusätzlich war Bedarf am Erwerb des unter Denkmalsschutz stehenden Rettungsschuppens der DGzRS auf dem Leuchtenfeld. 1984 war das Clubhaus fertiggestellt, wurde aber im Jahr 986 mit neuen Fenstern versehen.
1994 gelang es dem Club, den Mietvertrag für das Clubhaus in ein Erbbaurecht umzuwandeln. Zusätzlich konnte das 15.000 qm große Gelände der ehemaligen „Mövenbadeanstalt“ von der Stadt Lübeck ebenfalls als Erbbaurecht erworben werden. Der frühere Rettungsschuppen der DGzRS wurde zur Regattastation umgebaut.
Die führenden Köpfe des LYC in seiner einhundertzehnjährigen Geschichte aufzuzählen, würde die Grenzen dieses Artikels sprengen. Dies ist erfolgt 1998 in der zum 100. Bestehen des LYC herausgegebenen Festschrift „Der Lübecker Yachtclub und 100 wechselvolle Jahre“, im Wesentlichen verfasst von Karin Böge und Horst Schlichting, dem ich die hier enthaltenen Fakten den LYC betreffend entnommen habe.
Dem seinerzeitigen 1. Vorsitzenden Günter Faust folgte 1998 nach Horst-Dieter Heye. Seit 2000 bekleidet Rolf Erwert dieses Amt.
Hauptamtlicher Geschäftsführer ist seit 1998 Dr. Claus-Dieter Stolze.
Derzeit verfügt der Club über rund 1000 Mitglieder und 43 clubeigene Boote inklusive 30 Optimisten . Von den ca.500 Jollen und Yachten der Clubmitglieder liegen rund 220 Yachten im Passathafen und am Traveufer.
Auch gastronomisch hat das Clubhaus einiges zu bieten. Seit dem Umbau 1984 hat zunächst das Ehepaar Schmetzer das LYC-Restaurant betrieben, danach die Fam. Schlerath und seit 2007 befindet sich das kulinarisch mediterran, insbesondere spanisch, ausgerichtete „Marina“ im LYC-Clubhaus. Das Restaurant steht nicht nur den Clubmitgliedern, sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Insbesondere erfreut sich die Terrasse an sonnigen Tagen großer Beliebtheit, kann man hier doch nicht nur die Segler, sondern den gesamten Schiffahrtsverkehr hautnah erleben.
Rolf Fechner
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