Portraits Travemünder Personen
Henning Wulff
Kapitän und Lotse
Wer schon einmal mit dem Schiff von Travemünde nach Lübeck oder in umgekehrter Richtung die Trave entlang gefahren ist, erfreute sich an der schönen Uferlandschaft mit immer neuen Ausblicken, die sich nach jeder Flußkrümmung dem staunenden Betrachter eröffneten. Für den Kapitän eines Schiffes allerdings ist diese Beschaulichkeit eher ein Hindernis mit vielen Tücken und Gefahren, die er nach jeder Kurve bedenken und beachten muß. Die Trave gilt als schwieriges Revier, und deswegen braucht jeder Schiffsführer die unterstützende Hilfe eines reviererfahrenen Kapitäns, eines Lotsen, der die Gefahrenstellen genau kennt, um das Schiff sicher in den Zielhafen zu bringen.
Einer dieser Lotsen ist der Kapitän Henning Wulff, der in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, obwohl man diese Floskel bei einem Seemann allerdings nur mit Einschränkung verwenden kann, denn sein Element ist das Meer mit den einmündenden Flüssen und Kanälen.
Henning Wulff wurde während des 2. Weltkrieges am 6. März 1940 als Sohn des Kapitäns und Lotsen Hans Wulff und dessen Ehefrau Käthe in Lübeck geboren. Aufgewachsen ist er allerdings in der Travemünder Fehlingstraße 13, wo seine Eltern heute noch wohnen. Den Krieg und die schlimme Zeit danach erlebte er als Kind. Bis 1957 besuchte er die Volksschule und anschließend die Mittelschule, die beide in dem Gebäude der Stadtschule Travemünde untergebracht waren. Wegen der vielen Flüchtlingskinder und der damit verbundenen hohen Schülerzahl mußte in mehreren Schichten bis in die Abendstunden hinein unterrichtet werden.
Weil ihm die Seefahrt im Blut lag, heuerte er nach dem Realschulabschluß als Schiffsjunge an und ging mit verschiedenen Schiffen auf „Große Fahrt“. Bis 1962 dauerte seine „Grundausbildung“ bis zum Matrosen. Anschließend besuchte er bis 1963 die Seefahrtsschule Lübeck, die ja leider ihre traditionsreiche und weltweit anerkannte seemännische Bildungsstätte aus vielen für profilierte Fachleute unerfindlichen Gründen schließen mußte. Nach etlichen Jahren als Steuermann setzte er sein Studium fort und verließ die Seefahrtsschule 1967 mit dem Kapitänspatent. Bis 1974 befuhr er alle Weltmeere als Kapitän auf großer Fahrt. Zwischenzeitlich hatte er seine Frau Christa geheiratet. 1972 erblickte Sohn Heiko das Licht der Welt, und 1975 folgte Julia. Aus Familientradition begann er 1975 seinen Dienst als Lotse, den er bis heute noch ausübt. Auf wieviel Schiffen er neben dem Kapitän als verantwortlicher Lotse gestanden hat, weiß er nicht mehr so genau, ließe sich aber an Hand der vorgeschriebenen Dokumentationen natürlich heute noch feststellen. Nun seßhaft geworden engagierte sich Henning Wulff in Travemünde im Bereich der Jugendarbeit.
Als vor 25 Jahren der Verein HAUS DER JUGEND e. V. gegründet wurde, hatte es sich der erste Vorstand unter der Leitung des Diakon Werner Schomerus zur Aufgabe und Zielvorgabe gemacht, der Travemünder Jugend ein Heim zu schaffen, in dem sie ihre Freizeit sinnvoll verbringen konnte. Henning Wulff gehörte zu den ersten Mitgliedern, die sich aktiv für dieses Vorhaben einsetzten. Eine Zeit lang hatte man die berechtigte Hoffnung, den damals noch leerstehenden Bunker am Lotsenberg für diesen Zweck zu nutzen. Die Vorverhandlungen waren recht erfolgreich, das Unternehmen scheiterte schließlich doch am Einspruch einiger Anwohner.
Der Verein hatte schon damals für seine Mitglieder unter der emsigen Mitarbeit von Henning Wulff ein kleines Mitteilungsblatt mit dem Titel DER BUNKER herausgegeben, in dem der Fortgang der Vereinsarbeit dokumentiert wurde. Über die weitere Arbeit des Vereins HAUS DER JUGEND e. V. werden wir aus Anlaß des 25. Geburtstages in dieser Ausgabe von UT noch gesondert berichten. Wer sich für diesen Verein interessiert und helfen möchte, sollte einmal das Haus der Jugend am Baggersand neben der Travemünder Feuerwache besuchen.
Nach dem politischen Umbruch in der damaligen Sowjetunion und der deutschen Wiedervereinigung war es wieder möglich, Ostpreußen mit seiner Hauptstadt Königsberg, die heute Kaliningrad heißt, zu besuchen. Dabei mußte man feststellen, daß die Bevölkerung und besonders die Jugend in für unser Verständnis recht dürftigen Verhältnissen lebt, die sich nach dem politischen Umbruch noch dramatisch verschlechtert hatten. Henning Wulff und etliche Mitmenschen hatten den Wunsch, hier eine Art „Nachbarschaftshilfe“ ins Leben zu rufen, um besonders die Kinder mit Sachspenden zu unterstützen. Hieraus entstand der Förderverein für Jugendbildung und Wirtschaftsbeziehungen Norddeutschland-Kaliningrad e. V. Außer der Unterstützung des Kinderheimes in Cranz, heute Selenogradsk (120 Kinder) u. a. mit Lebensmitteln hilft der Verein der Erzeugergemeinschaft in Warnen, heute Oserki mit Know-How und technischem Gerät. Der dortige Jugendhof wurde grundlegend renoviert. Im Rahmen der jährlichen Berufsbildungsprojekte übernehmen Lübecker Firmen jugendliche Praktikanten für 8 Wochen zur Fortbildung. In Kaliningrad hat das dortige Hansebüro die Koordinierung aller Aufgabenfelder und Weiterleitung wirtschaftlicher Daten nach Lübeck übernommen, trifft die Vorauswahl der Praktikanten und hilft bei der Erledigung von Visaanträgen und bei der Vermittlung von Geschäftskontakten.
Daß diese „Nebentätigkeit“ Henning Wulff voll in Anspruch nimmt, dürfte dem geneigten Leser wohl klar sein.
Vielleicht findet er nach dem Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand etwas mehr Zeit für seine Hobbies Reisen und Segeln. Ihm und seiner Frau Christa wünschen wir noch viele Reisen zu Wasser und zu Lande.
Helmuth Wieck
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