Inge Hampel

Portraits Travemünder Personen

Inge Hampel

Seit 45 Jahren ist sie aktive Sängerin im Gemischten Chor der Travemünder Liedertafel, der aus dem Frauenchor hervorgegangen ist. Ebenso hat Inge Hampel ihre Kraft als Grüne Dame eingesetzt, sie war Krankenschwester, Lehrerin, Künstlerin, im Hauptberuf aber Hausfrau und Mutter. Sie gehört zu der Generation, die den Krieg und die Zerstörung weiter Teile des damaligen Deutschen Reiches erlebt und überlebt hat, und sie gehört zu denjenigen, die aus Trümmern und Asche das Fundament für den Aufbau unserer Heimat gelegt haben.

Als „Weihnachtsengel“ erblickte sie am Heiligen Abend des Jahres 1924 in Baden-Baden das Licht der Welt. Diese Zeit war jedenfalls für die deutsche Bevölkerung zu dieser Zeit gar nicht so berauschend. Die Folgen des 1. Weltkrieges, dessen Ende gerade erst sechs Jahre alt war, die mühsam überstandene Inflation mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen und der Verarmung vieler Menschen durch die maßlose Geldentwertung, die alle Ersparnisse aufgefressen hatte, diese Folgen waren überall spürbar.

Ihre Eltern waren Ostpreußen, und die Mutter litt stark unter Heimweh. Darauf entschloß sich ihr Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein Jahr nach der Geburt der kleinen Inge, nach Königsberg umzusiedeln. Hier verlebte sie ihre Kinder- und Jugendjahre. Auch ohne Geschwister langweilte Inge sich nie, weil sie sich für viele Dinge, wie Basteln, Tanzen und Theater begeistern konnte.

1944 bestand Inge Hampel ihr Staatsexamen im sozialpädagogischen Seminar, war nun Kindergärtnerin und wurde sofort als Betreuerin für 13 auswärtige Schülerinnen eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt betrat die Sowjetarmee bereits ostpreußischen Boden. Ihr Elternhaus hatte Inge Hampel im August 1944 durch einen Bombenangriff verloren. Ende Januar verließ sie mit den 13 Mädchen auf der Flucht vor den russischen Truppen ihre Heimatstadt und gelangte auf dem Wasserwege nach Kolberg, von dort nach Stettin und schließlich nach Berlin, wo sie einen furchtbaren Bombenangriff miterleben mußte. Ihre Dienststelle schickte sie nun nach Dänemark, das zu dieser Zeit noch von deutschen Truppen besetzt war, zur Flüchtlingsbetreuung. Hier hatten Tausende von Heimatlosen wieder ein Dach über dem Kopf und ihr täglich Brot gefunden.

Inge Hampel arbeitete als Schwesternhelferin auf Krankenstationen in Veyle und später in Aalborg. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, in Kopenhagen das dänische Examen als Krankenschwester abzulegen, zog es aber vor, im Juni 1947 einen Kindertransport nach Deutschland zu begleiten.

Eine der ersten Stationen war der VfB Lübeck. Sie leitete z.B. das Frauenturnen und die Gymnastikstunden. Besondere Freude bereitete ihr die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, sie machte mit ihnen Geräteturnen und Ballspiele, gründete eine Kindergruppe, die regen Zulauf fand.

Im Juli 1949 lernte Inge ihren späteren Mann kennen, den Musiklehrer Alfons Hampel, beim Kurkonzert im Travemünder Casinogarten. Alfons Hampel hatte es nach dem Kriege nach Niendorf verschlagen, wo er einen gemischten Chor gegründet hat, in dem sie begeistert mitsang. Alfons übernahm auch die „Harmonie“ in Timmendorf und war später auch, nämlich von 1970 bis 1974, Chormeister beim Männerchor der Travemünder Liedertafel und hat entscheidende Vorarbeit für das Entstehen des Passat- Chores geleistet.

Aber gehen wir erst einmal zurück in das Jahr 1950; im März heirateten die beiden nämlich und wohnten erst einmal zur Untermiete in der Rose. Alfons Hampel war an der Stadtschule Travemünde tätig, aber natürlich nicht nur als Musiklehrer, sondern er unterrichtete das komplette Fächerprogramm, wie das zu dieser Zeit üblich war.

1955 zog das Ehepaar mit ihren beiden Söhnen, die 1951 und 1953 das Licht der Welt erblickt hatten, in ihr neues Eck-Reihenhaus am Leegerwall, und hier wurde 1958 der dritte Sohn geboren.

In diesem Jahr trat sie auch dem 1957 gegründeten Frauenchor der Travemünder Liedertafel bei, der durchaus nicht ohne Widerstand bei dem Männerchor von dem damaligen 1. Vorsitzenden der Travemünder Liedertafel Bruno Groth und seiner Frau Charlotte auf die musikalischen Beine gestellt wurde. Die Leitung des fröhlichen Chores hatte der junge Lehrer Helmuth Wieck übernommen. Inge Hampel war für den Chor bald unentbehrlich. Sie hatte eine schöne Stimme und viel Chorerfahrung, das wissen Chorleiter sehr zu schätzen.

In einem Vereinschor gibt es natürlich auch verschiedene „Ämter“. Inge Hampel hatte die Aufgabe der Tafelmeisterin übernommen. Sie mußte bei feierlichen Veranstaltungen, Festen, Ausflügen usw. die Vorbereitungen treffen. Bei kleinen Feierlichkeiten sorgte sie auch für den Tischschmuck, den sie mit viel Liebe und handwerklichem Geschick als mitunter richtige kleine Kunstwerke basteln konnte.

Höhepunkte im Liedertafelleben waren früher die großen Stiftungsfeste im Travemünder Kurhaus. Männer und Frauenchor hatten ein gemeinsames Programm gestaltet, Ehrungen wurden vorgenommen.

Der Höhepunkt war aber die große Tombola. Schon Wochen vorher mußten die beiden Tafelmeister planen, organisieren und manchmal auch etwas betteln, um möglichst viele und attraktive Preise aufstellen zu können. Mit großem Geschick und viel Zeitaufwand hat Inge bei der Organisation und Aufstellung der Preise mitgearbeitet. Gut in Erinnerung sind auch noch die kleinen Feiern in der Weihnachtszeit, zu besonderen Geburtstagen und ähnlichen Gelegenheiten mit der von ihr wunderhübsch gestalteten Tafel.

Die drei Söhne Holger, Rainer und Dietmar hatten von ihren Eltern die Musikalität geerbt. Zusammen mit ihnen wurde bei vielen Anlässen musiziert und gesungen. In der Travemünder Landsmannschaft Deutscher Osten, bei der Inge Hampel sehr aktiv war, haben sie und ihre Kinder bei so manchen gemütlichen Beisammensein viel Freude bereiten können.

Aber das ist noch nicht alles, was Inge Hampel neben ihrem doch recht großem Haushalt geleistet hat. Als in den sechziger Jahren ein Lehrermangel, besonders im kreativen Bereich, zu starkem Unterrichtsausfall führte, sprang sie ein und übernahm in der Steenkampschule, die damals noch Grund und Hauptschule war, für einige Zeit den Handarbeitsunterricht.

Als ihre Söhne erwachsen waren, schloß sie sich den Grünen Damen an und half im Rahmen der Kranken-, Alten- und Nachbarschaftshilfe vielen Mitmenschen bei der Bewältigung ihrer Nöte und Probleme.

Im Jahre 1990 starb ihr Mann Alfons. Ihre große Familie half ihr sehr, diesen schweren Verlust zu ertragen. Ihre drei Söhne, mittlerweile glücklich verheiratet, die Schwiegertöchter und sieben Enkelkinder, heute sind es schon zehn, waren immer bei ihr, wenn sie Trost und Hilfe benötigte.

Im Jahre 1996 verkaufte sie ihr Haus am Leegerwall und zog in die Senioren Wohnanlage Rosenhof auf dem Priwall. Sie fühlt sich hier sehr wohl. Sie hat nun auch Zeit, ihren vielen Hobbys nachzugehen. Aus scheinbar unbrauchbaren Dingen, wie Verpackungsabfällen, Medizinfläschchen und anderen Behältnissen zaubert sie sozusagen aus dem „Nichts“ kleine Kunstwerke. Sie fertigt auch Kleidungsstücke an, stickt, strickt und häkelt für sich selbst und für andere.

Aber sie beteiligt sich auch an der Folklore Tanzgruppe und dem Kreativkreis im Rosenhof, nimmt, soweit es ihre Gesundheit zuläßt, am Leben teil und hilft hier im Haus einigen einsamen Menschen mit Gesprächen und kleinen Liebesdiensten.

Trotz ihres Alters ist sie innerlich jung geblieben und singt noch immer im Gemischten Chor der Travemünder Liedertafel, der aus dem Frauenchor hervorgegangen ist. Sie ist damit 45 Jahre aktives Mitglied in diesem Chor, Herzlichen Glückwunsch!

Zum Beginn jeder Frauenchor Probe stimmten die Sängerinnen ein Lied an. Der Wortlaut dieser Melodie ist auch ihr Lebensmotto:

Das will ich mir schreiben in Herz und in Sinn,
daß ich nicht für mich auf Erden bin.
Daß ich die Liebe, von der ich leb’
liebend an andere weitergeb!

Wir bedanken uns bei Inge Hampel und wünschen ihr noch lange Zeit Freude mit ihrer Familie, den vielen Freunden und Schaffenskraft zum Wohle ihrer Mitmenschen.

Helmuth Wieck

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