20 Jahre Grenzöffnung auf dem Priwall

20 Jahre Grenzöffnung auf dem Priwall

Am 03.02. 90 wurde – fast 3 Monate nach dem Mauerfall am 09.11.89 – auch die Grenze auf dem Priwall geöffnet.

Dieses epochale Ereignis soll Anlass sein, auch auf die Ursachen der Teilung Deutschlands, die Grenzziehung, Öffnung, deren Vorgeschichte sowie die nächsten Jahre nach der Öffnung einzugehen:

1. Vorgeschichte:
Der Versailler Vertrag, der dem 1. Weltkrieg besiegten Deutschen Reich im Jahre 1919 auferlegt worden war, wurde in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung – unabhängig von deren politischen Couleur – als Schandfrieden angesehen. Das galt in erster Linie für die Besetzung des Rheinlands durch französische Truppen, die versuchte Abtrennung des Saargebietes, die auferlegten Reparationszahlungen, die Abtrennung Ostpreußens vom Reich und die Umwandlung Danzigs in eine Freie Stadt unter Völkerbundsaufsicht. Auch war man unzufrieden damit, dass – nach der Zerschlagung des Vielvölkerstaats Österreich – Ungarns den dort lebenden Deutschen verwehrt worden war, sich dem Deutschen Reich anzuschließen. So stellten die Sudetendeutschen in der nach dem 1. Weltkrieg neugegründeten Tschechoslowakei nach den Tschechen die zweitgrößte Volksgruppe.

Auch die Alliierten des 1. Weltkriegs waren nach über einem Jahrzehnt nach Kriegsende zu der Einsicht gekommen, dass man berechtigten Wünschen der Deutschen nach Korrekturen entgegenkommen müsse, so dass nichts unternommen wurde, als Hitler deutsche Truppen in das Rheinland einmarschieren ließ, das Saargebiet nach einer Volksabstimmung wieder deutsch wurde und Österreich von dem gebürtigen Österreicher Hitler „Heim ins Reich“ geholt wurde. Durch das Münchner Abkommen wurde Hitler auch gestattet, die Sudetendeutschen ins Reich zu holen.

Grenzöffnung Priwall 1990

Als Hitler dann aber entgegen den getroffenen Absprachen die gesamte Tschechoslowakei zerschlug, um das Protektorat Böhmen und Mähren zu gründen und die Slowakei als Vasallenstaat in die Selbstständigkeit zu entlassen, erkannten die Allierten, dass man Hitlers Zusagen nicht vertrauen konnte.

Jede weitere Gebietsausdehnung Deutschlands sollte mit militärischen Mitteln beantwortet werden.Dazu schlossen Frankreich, Großbritannien und Polen einen Beistandspakt.

Es kam, was kommen mußte: Hitler, von seinen mühelosen Erfolgen berauscht, wandte sich jetzt Polen zu. Vordergründig verlangte er einen freien Korridor nach Ostpreußen sowie Aufhebung des Status von Danzig, tatsächlich ging es ihm um die Schaffung von „Lebensraum“ im Osten, wobei die Unterjochung, Umsiedlung oder Vernichtung der osteuropäischen Völker – die als Untermenschen diffamiert wurden – Teil seiner Ziele war.

Mit dem Nichtangriffspakt mit Stalin Ende August 1939 sicherte sich Hitler einen geistesverwandten Verbündeten.

Am 01.09.39 überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Als Vorwand diente ein angeblicher Übergriff regulärer polnischer Soldaten auf den deutschen Sender Gleiwitz – tatsächlich wurde der „Angriff“ von deutschen SS-Leuten in polnischer Uniform durchgeführt. Als tote „polnische Soldaten“ ließ man KZ-Häftlinge in polnischen Uniformen liegen.

Polen war schnell besiegt. Die Rote Armee zog – wie mit Hitler vereinbart – in den Ostteils Polens ein: damit war die 4. Teilung Polens vollzogen.

Der Krieg entwickelte sich zum Weltkrieg: zunächst erklärten Frankreich und England dem Deutschen Reich den Krieg, die deutschen Truppen überfielen auch neutrale Staaten und am 22.Juni 1941 die Sowjetunion. Spätestens mit dem Eintritt der USA schien klar, dass Deutschland den Krieg nicht würde gewinnen können. Das Ende ist bekannt: am 08.05.45 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos.

die Priwall-Grenze

Als sich die Niederlage abzeichnete, fanden zwischen den drei großen Alliierten die Konferenzen von Teheran, Jalta und nach Kriegsende die von Potsdam statt: Ziel war, Deutschland in Zukunft zu hindern, einen Angriffskrieg zu führen und für seine Verbrechen während der Nazizeit zu bestrafen.

Dazu sollte Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt werden (zunächst 3, dann unter Einbeziehung Frankreichs 4). Die Gebiete östlich der Oder und Neiße sollten unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt werden, die dort lebenden Deutschen &132;human“ umgesiedelt werden.

Tatsache war, dass die Deutschen flüchteten oder vertrieben wurden. In diese Gebiete kamen Polen, die ihrerseits von den Russen aus Ostpolen vertrieben wurden – da sich Stalin das Gebiet, was ihm durch den Pakt mit Hitler zugestanden wurde, nicht wieder entreißen ließ.

2. Nach welchen Gesichtspunkten wurde geteilt?
Die Grenzziehung innerhalb der Besatzungszonen folgte grundsätzlich den alten deutschen Ländergrenzen.

Seit 1226 – dem Reichsfreiheitsbrief des Kaisers Friedrich II. – gehörte der Priwall eindeutig zu Lübeck, auch wenn es in der Folgezeit immer wieder Auseinandersetzungen mit den Mecklenburgern gab. Dieses Besitzrecht wurde im Reichsdeputationshauptschluß 1803 noch einmal bekräftigt.

Man stelle sich vor, der Priwall sei ein Teil Mecklenburgs gewesen und wäre dann der SBZ/DDR zugeschlagen worden! Dann hätte man von der Vorderreihe aus gut auf Stacheldraht, vermintes Gelände und Wachttürme blicken können. Die Lebensqualität der Travemünder hätte erheblich gelitten und der Begriff „Waterfront“ auf dem Priwall hätte einen ganz anderen Inhalt erhalten!

So zogen sich die britischen und US-Truppen vereinbarungsgemäß aus Mecklenburg, Thüringen und Sachsen zurück und erhielten dafür ihre Besatzungszonen in Berlin.

Seit Juli 1945 stellte der Priwall also die Demarkationslinie zwischen Ost und West dar, die sich in einer Länge von 1381 km erstreckte.

3. Grenzsicherung:
Diese wurde zunächst von den Besatzungstruppen, also den Russen einerseits und den Briten („Royal Hussars“, stationiert in den Priwallkasernen, dem späteren Krankenhaus) andererseits wahrgenommen.

Grenze am Priwall-Strand

Ab März 1946 wurde das 6. Travemünder Polizeirevier mit seinen 40-50 Polizisten unter Leitung von Ernst Voss, Hans Bajohr und Oberleutnant Beutel zu Hilfe eingenommen, deren „Bewaffnung“ zunächst allerdings aus Holzknüppeln bestand.

In der SBZ wurde im Dezember 1946 die Deutsche Grenzpolizei gegründet, die dann auch auf östlicher Seite Hilfsfunktionen übernahm.

Die Grenze war zu dieser Zeit noch durchlässig: es wurde viel geschmuggelt, getauscht und auch aus sonstigen Gründen die Grenze – illegal – überschritten. Nach zeitgemäßen Angaben handelte es sich um 25-30 Personen pro Tag.

Auch war das Einvernehmen zwischen den Bewachern und den Bewohnern recht ordentlich: so kamen auch russische Soldaten, nachdem sie ihre Waffen an der Grenze abgelegt hatten, zum Tanzen in die „Strandperle“ nahe der Grenze.

Dabei blieb es auch, nachdem deutsche Grenzpolizisten die Russen unterstützten, weil diese zum einen aus den grenznahen Orten stammten und sich zum anderen wie ihre westdeutschen Kollegen aus ehemaligen Wehrmachtssoldaten rekrutierten.

Zum Negativen änderte sich das Verhältnis erst, als auf östlicher Seite junge Grenzer aus entfernten Landesteilen der SBZ eingesetzt wurden.

Mittlerweile hatte sich auch das Verhältnis zwischen den Alliierten geändert („Eiserner Vorhang“, Zwangsvereinigung der KPD und SPD (Ost) zur SED, Währungsreform in Westdeutschland und West-Berlin und als Antwort darauf die Berlinblockade durch die Sowjets).

Am 23.Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland und am 07.Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik gegründet.

Im März 1952 bot Stalin der Bundesregierung die Wiedervereinigung an, wenn ganz Deutschland neutral bliebe. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer ignorierte das Angebot, da ihm die Westbindung wichtiger erschien. Ihm wurde dabei, ob zu Recht oder zu Unrecht, wird kontrovers diskutiert, unterstellt, dass er an einer Vereinigung mit dem protestantisch geprägten Osten ohnehin nicht so stark interessiert war.

Daraufhin erfolgte der weitere Ausbau der Grenzen durch die DDR-Behörden:

Im Mai 1952 errichteten sie eine 5 km-Sperrzone an der Grenze sowie einen 500 und 10 m Schutzstreifen.

Die 5-km-Sperrzone, in der auch Pötenitz und Dassow lagen, waren von der übrigen DDR abgetrennt, so dass der normale DDR-Bürger eine Sondergenehmigung brauchte, um in dieses Gebiet zu kommen. Das galt sogar bei Eltern-Kind Beziehungen, wenn die Kinder außerhalb des Sperrgebietes wohnten!

Grenze auf dem Priwall

Wer sich kritisch äußerte, wurde zwangsweise umgesiedelt: die Aktion im Jahre 1952 trug den zutiefst humanistischen Namen „Aktion Ungeziefer“: davon waren z.B. auch 30 Dassower Familien betroffen. Baden in Grenznähe war natürlich auch verboten. Erst in Boltenhagen, 30 km östlich der Grenze, durfte in der Ostsee gebadet werden, aber nur bis Sonnenuntergang. Und Schlauchboote und Luftmatratzen waren den DDR-Behörden immer suspekt, weil sie ja zur Flucht eingesetzt werden konnten.

Ab 13. August 1961 erfolgte dann die endgültige Abriegelung der DDR durch den Mauerbau, Hundestaffeln, Verstärkung der Grenzen durch Mehrfachstacheldraht, Wassergräben, Installation von Millionen von Minen und Selbstschußanlagen an der innerdeutschen Grenze. Gegenüber „Grenzverletzern“ durfte die Schußwaffe eingesetzt werden. Nicht zu vergessen die zahlreichen Zuträger aus der DDR-Bevölkerung, die Fluchtwillige schon im Vorfeld den zuständigen Behörden meldeten.

Der Dassower See war für die Dassower Fischer zunächst von 1952 bis 1956 und dann vom 13.August 1961 gesperrt. Die Dassower Fischer mußten ihre Boote über Land nach Wismar transportieren.

In der Zeit von 1961 bis 1989 wurden daher mehrere tausend Fluchtversuche über die Ostsee unternommen: davon sind aber nur etwa 10% geglückt: etwa 180 Personen sind bei ihren Fluchtversuchen über das Wasser ertrunken.

Der letzte Ostseeflüchtling ist übrigens im Herbst 1989 von der „Robin Hood“ aufgenommen worden.

Auch der Priwall war Schauplatz mehrerer Fluchtversuche: 2 DDR-Bürger ertranken in der Pötenitzer Wiek bei ihren Fluchtversuchen.

Mehrfach wurde auch von westlicher Seite versucht, die Grenze zur DDR zu überschreiten: dabei handelte es sich überwiegend um Mutproben von Personen, die schon etwas Alkohol im Blut hatten. Je nach Lage wurden sie zurückgeschickt, verhaftet oder gar beschossen und dann abtransportiert.

4. Entspannung an der Grenze:
Der sozialliberalen Koalition Brandt/Scheel gelang es (Stichwort: Wandel durch Annäherung, ein Begriff, den der damalige Kanzlerberater Egon Bahr geprägt hatte) zunächst im Einvernehmen mit der DDR eine gemeinsame Grenzkommission zu schaffen: die Grenzen wurden gemäß deren Vorgaben leicht modifiziert: Nunmehr wurde der Uferbereich an der Pötenitzer Wiek einschließlich des Dassower Sees der Bundesrepublik zugeschlagen, damit Fischer und Segler in Notfällen westdeutsches Gebiet betreten konnten, denn sowohl die Wiek als auch der See gehörten zur BRD.

Grenze auf dem Priwall

1973 wurde der sogenannte „Kleine Grenzverkehr“ aufgenommen. Insgesamt nutzten über 400.000 Personen – weit überwiegend natürlich Bundesbürger grenznaher Orte – die Möglichkeit, die DDR zu besuchen, wobei pro Tag der Betrag von 25 DM umgetauscht werden mußte.

Nachdem Franz-Josef Strauß im Jahre 1983 zugunsten der DDR einen Milliardenkredit vermittelt hatte, baute diese ihre Selbstschußanlagen an der Grenze ab.

Durch internationale Entspannungsmaßnahmen (z. B. Schlußakte von Helsinki, die die Staaten zur Freizügigkeit verpflichtete) entstanden im Ostblock Freiheitsbewegungen, wie z. B. die Gründung der freien Gewerkschaft „Solidarnosc“ in Polen. 1985 wurde Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Gorbatschow sicherte jedem Volk zu, seinen eigenen Weg gehen zu dürfen.

In der DDR schien der „Kessel“ zu explodieren. Immer mehr DDR-Bürger pochten auf Reisefreiheit. Dem gab die DDR zunächst durch großzügige Auslegung von Ausreisegenehmigungen nach, die sich auch gut bezahlen ließ (Häftlingsfreikauf).

Im Frühsommer 1989 baute Ungarn zunächst die Grenzanlagen ab und öffnete im August 1989 auch endgültig die Grenze nach Österreich. In etlichen Botschaften der Bundesrepublik, insbesondere der Prager, hatten sich tausende DDR-Bürger geflüchtet.

Im Gedächtnis geblieben ist Hans-Dietrich Genschers Aufritt in der deutschen Botschaft in Prag: „Ich möchte mitteilen, dass heute ihre Ausreise….“ (der Rest ging zunächst im Jubel unter).

Mehr und mehr DDR-Bürger demonstrierten für mehr Freiheit. Speziell die sogenannten Montagsdemonstrationen in Leipzig wuchsen auf hunderttausende Menschen an. Und die Staatsmacht hielt sich zurück – anders als die chinesische, die im Sommer 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Demonstranten blutig niederwalzte.

Es folgten die Farce der Feier des 40. Jahrestags der DDR im Oktober 1989, auch diese verbunden mit dem historischen Ausspruchs Gorbatschows „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, die Ersetzung Honeckers durch Egon Krenz und schließlich die Pressekonferenz, auf der das Politbüromitglied Schabowski das neue Reisegesetz der DDR verkünden sollte, wonach jeder DDR-Bürger „ohne Vorliegen von Voraussetzungen“ nach West-Berlin und in die BRD ausreisen könnte. Auf die Frage, ab wann diese Bestimmung denn in Kraft träte, antwortete ein verunsicherter Schabowki „unverzüglich, also sofort“.

Mehrere Stunden später waren die Grenzen auf und wurden auch nicht mehr geschlossen.

5. Wiedervereinigung:
Der Ruf der DDR-Bürger „Wir sind das Volk“ wurde zunehmend durch den Ausspruch „Wir sind ein Volk“ abgelöst, so dass ein Nachdenken über eine Vereinigung immer deutlicher wurde.

Grenze auf dem Priwall

Dabei wurde zunächst eine Wiedervereinigung als utopisch angesehen; vielmehr stellte man sich auf eine Konföderation der beiden deutschen Staaten ein, die nach einem längeren Übergangszeitraum vereinigt werden könnten.

Doch dann setzte ein Umdenken ein: Willy Brandt, der noch im Jahre 1988 die Wiedervereinigung als Lebenslüge des deutschen Volkes bezeichnet hatte, prägte ein Jahr später den Spruch „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“. Es gab allerdings auch Intelligenzbestien, die den Begriff „Wiedervereinigung“ ablehnten, weil die BRD und die DDR ja nie vereinigt gewesen seien …

Problematisch wäre es gewesen, wenn jemand Kanzler gewesen wäre, der die DDR-Bürger als Ausländer angesehen hat, wie Lafontaine. Hätte es dann riesige Asylantenlager für DDR-Bürger gegeben? Gesichert ist jedenfalls, dass Lafontaine den Zuzug von DDR-Bürgern gesetzlich begrenzen wollte: die Aufenthaltsberechtigung sollte versagt werden, wenn es für die Übersiedler keine Arbeit und keine Wohnung gäbe. Das SPD-Präsidium hat sich glücklicherweise von diesen Vorschlägen distanziert.

So war aber Kohl Kanzler und er forcierte die Wiedervereinigung in einem vorher nicht geglaubten Ausmaß.

Im November 1989 wurde Hans Modrow Ministerpräsident der DDR, im Mai 1990 wurde die erste freie Volkskammer mit Lothar de Maizière als Ministerpräsidenten gewählt.

Danach folgten Verhandlungen zwischen der BRD und der DDR mit den Verhandlungspartnern Wolfgang Schäuble und Günter Krause über einen Staatsvertrag, der in eine Währungsunion am 01.07.90 und schließlich in eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 03.10.1990 mündete.

Allerdings wurde für die Vereinigung der Weg über Art. 23 GG (Beitritt zum Bundesgebiet) gewählt. Das war rechtlich nicht ganz unproblematisch, weil sich „eigentlich“ nach den Intentionen des Grundgesetzes das (gesamt)-deutsche Volk nach der Wiedervereinigung eine Verfassung geben sollte. So sah das Verfahren mehr nach Anschluss denn nach Wiedervereinigung aus. Aber es ersparte Kohl ein langwieriges Verfahren – zumal er genug damit zu tun hatte, die ehemaligen Hauptkriegsgegner zu überzeugen, etwas, was in den sogenannten Zwei-Plus-Vier-Gesprächen erfolgte( zwei deutsche Staaten mit vier Alliierten).

Die DDR-Wirtschaft war maroder, als man im Westen gedacht hatte. Es wurde die Treuhand eingesetzt, um das DDR-Vermögen „abzuwickeln“, was auch im negativen Sinne oft genug geschah. Kohls Spruch von den „blühenden Landschaften“, die in der ehemaligen DDR entstehen sollten, sind ihm deshalb oft entgegengehalten worden.

6. Grenzöffnung auf dem Priwall:
Diese erfolgte am 03.02.1990 um 9:25 Uhr, nachdem der damalige 1. Vorsitzende des GVT, Dr. Hans Hagelstein, bei dem DDR-Ministerpräsidenten Modrow interveniert hatte. Auch die damalige Pötenitzer Bürgermeisterin, Gundela Frehse, hatte sich für ein Grenzöffnung auf dem Priwall stark gemacht: die Pötenitzer, die die Trave, ein- und auslaufenden Schiffe, den Strand und die Silhouette Travemündes sehen konnten, hatten eine starke Sehnsucht, diesen Ort schnellstmöglich auch selbst besuchen zu können.

Am 03.02.90 machten sich Tausende Bürger von West nach Ost und von Ost nach West auf, um Neuland – und dabei doch die nächste Umgebung – zu entdecken. Viele Fahnen, überwiegend mecklenburgische waren zu sehen.

Unterstützt wurde die Besucher dabei von verschiedenen Vereinen aus West und Ost, die die Grenzöffnung musikalisch, wie durch den „Eichholzer Fahnenzug Jäger und Schützen“, den „Passatchor“ und Blaskapellen aus Klütz und Warnow untermalten und kulinarische Angebote bereit hielten. So teilten der GVT, der TSV und der Verein der Priwallbewohner kostenlos Bier und Säfte aus und boten den Besuchern Gebäck an. Die Wochenendhausbesitzer begrüßten die Mecklenburger Besucher mit der Erwartung „zur dauerhaften Verbundenheit“.

Die LVG führte einen kostenlosen Buspendelverkehr zur damals noch kostenlosen Priwallfähre durch.

Die Grenzöffnung erfolgte aber arg provisorisch: man hatte durch den Strandsand zu stapfen, was sich auf Dauer als zu umständlich erwies.

So wurde am 12.04.1990 ein Übergang – allerdings nur für Fußgänger und Radfahrer – über die Mecklenburger Landstraße eröffnet.

Es dauerte aber noch über 2 Jahre, bis auch KFZ die Grenze passieren durften. Vehementer Widerstand kam von dem Verein der Wochenendhausbesitzer und Priwallbewohner: man hatte sich ja mit der Grenze so kommod eingerichtet und nun sollte die Ruhe vorbei sein …

Gott sei Dank setzte sich diese Haltung nicht durch: die Mecklenburger Landstraße war jahrhundertelang die Verbindungsstraße zwischen Travemünde und Dassow gewesen und konnte diese Funktion durch eine widernatürliche Grenzziehung nicht plötzlich eingebüßt haben. Auf diese Tatsache wies insbesondere der GVT unter Helmuth Wieck hin.

Am 03.10.1990 feierten Travemünder Bürger gemeinsam mit Pötenitzern und viel Musik und Tanz den 1. Tag der Deutschen Einheit. Zur Erinnerung an diesen Tag pflanzte der GVT vor dem Schloß Pötenitz eine Einheitseiche.

Gedenkstein an der Priwall-Grenze

Und noch eine weitere Tat darf sich der GVT auf die Fahnen schreiben: an der Grenze wurde am 03.10.1995 ein Gedenkstein an die Teilung errichtet – dies mußte allerdings auf Mecklenburger Gebiet geschehen, da die Lübecker Behörden Probleme mit der Aufstellgenehmigung hatten.

Gedenkstein Priwall-Grenze

Was wünscht man sich also zum 20. Jahrestag der Grenzöffnung?

Große Dankbarkeit, Optimismus, Bescheidenheit, ein baldiges echtes Zusammenwachsen und Visionen, für die nicht der Arzt für zuständig erklärt wird.

Rolf Fechner

Fotos: Rolf Fechner, Ehepaar Pape, Hedi Wiechmann und Helmuth Wieck

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