Das Buch von Travemünde

Das Buch von Travemünde

Im letzten Heft des Jahres 2002 erwähnte der KRITICUS die kleine Broschüre Das Buch von Travemünde, das die Kurverwaltung von Travemünde 1952 anläßlich des 50. Geburtstages des Seebades Travemünde herausgegeben hatte. Wir stellen einen ganz kleinen Ausschnitt aus diesem leider vergriffenen und in nur noch wenigen Exemplaren existierendem Büchlein vor.

In den vergangenen Jahren haben wir bereits viele Geschichten, Berichte und Gedichte aus dieser für jeden Travemünder interessanten Broschüre veröffentlicht.

V O R W O R T

Das vorliegende Büchlein ist als ein bunter Strauß gedacht, der den Einheimischen wie den Gästen Travemündes in die Hand gegeben werden soll, um ihnen unseren Badeort auch von der geschichtlichen, kulturgeschichtlichen und literarischen Seite her näherzubringen. Deshalb ist in der textlichen Anordnung mit Absicht der Grundsatz einer buntwechselnden Reihenfolge gewählt worden. Was an dichterischen Zeugnissen bisher vorliegt, ist hier zusammengetragen worden. Ich hoffe, daß mit dieser Herausgabe – gleichsam eines kleinen literarischen Quellenwerkes – allen Freunden Travemündes eine Freude bereitet wird. Wenn das Buch zum Zeitpunkt der 150. Jahresfeier des Seebades erscheint, so ist dies nur ein äußerer Anlaß. Im übrigen ging das Bemühen dahin, eine Text- und Bildgestaltung zu schalten, die an keine Zeit gebunden ist, sondern die heute wie nach Jahren den Leser erfreuen möge. Der Gast, der sich in unserem Kurort aufhält, mag in Stunden der Langeweile oder an einem verregneten Tag das Büchlein zur Hand nehmen. Er wird darin ebensoviel Belehrung über die historische und kulturgeschichtliche Vergangenheit Travemündes finden wie Unterhaltung, die ihn aber immer zugleich tiefer In die Sphäre des Ortes und seiner Strandlandschaft einführt. Wurden sich auch die heimischen Schulen des Büchleins annehmen, so wäre es ein schöner Lohn für die vielen Mühen, die mit seiner Veröffentlichung verknüpft waren.

Die unmittelbare Anregung ging von den bereits vorliegenden Texten und der nach Städten und Landschaften geordneten literarischen Sammlung Dr. Carl Budichs aus, womit für das Büchlein zugleich der Grundstock gegeben war. Für die Gestaltung des kleinen Werkes bin ich Herrn Dr. Budich zu sehr herzlichem Dank verpflichtet. Für die Beschaffung des Bildmaterials gebührt mein besonderer Dank Herrn Dr. Hasse (St.-Annen-Museum, Lübeck), der die über Travemünde vorhandenen Pläne und Bilder freundlichst zur Verfügung stellte.

Lübeck-Travemünde, im Juni 1952

MERTEN
Senator für Travemünde

 

Aus alten badeärztlichen Büchern über Travemünde
von Dr. Emil Gerdes

Vor mir liegen vier alte Bücher, die sich auf das Badeleben im alten Travemünde beziehen. Da ist zuerst die Schrift eines unbekannten Verfassers aus dem Jahre 1803, zu Lübeck gedruckt mit dem Titel „Ueber die Privat-Seebadeanstalt bey Travemünde“. Sodann das 1818 erschienene Buch „Annalen des Travemünder Seebades von 1817“ von Dr. H. W. Danzmann, dem damaligen Physikus zu Lübeck und ersten Badearzt in Travemünde, nach dem eine wenn auch unscheinbare Straße in Travemünde benannt wurde. Das dritte 1828 erschienene Werk hat den Travemünder Arzt Dr. Wilhelm Saß zum Verfasser und trägt den Titel „Die Seebadeanstalt bey Travemünde in ihrem gegenwärtigen Zustande. Ein Handbuch zur richtigen Kenntnis und Benutzung derselben“. Von demselben Verfasser stammt auch die vierte Schrift aus dem Jahre 1835, betitelt „Taschenbuch für gebildete Badegäste oder Anleitung zum zweckmäßigen Gebrauch des Seebades“.

Es ist nun nicht nur vom ärztlichen Standpunkt, sondern auch kulturgeschichtlich ebenso interessant wie für den heutigen Leser amüsant, darin herumzublättern. Daher möchte ich einige Abschnitte daraus der Vergessenheit entreißen, zumal sie uns zugleich einen Blick in die „gute alte Zeit“ und auf unser altes Travemünde gestatten. (Die Überschriften wurden neu gebildet.)

 

1. Die ersten Badekarren

„Der vortreffliche Boden macht den Gebrauch eines vorzüglich bequemen Badewagens möglich, den wir nach englischem Muster schon vor mehreren Jahren zum Versuch verfertigen ließen.

Die äußere Form dieser Maschine ist sehr einfach, und fällt wenig ins Auge; ihre innere Einrichtung dagegen ist, wie die Erfahrung lehrt, und eine nähere Beschreibung beweisen mag, zweckmäßig und bequem.

Sie ruht auf zwey Rädern, und bildet in ihrem Innern ein verschlossenes Cabinett, das zwar eigentlich nur für eine einzelne Person bestimmt ist, das aber, wenn auch mehrere mit einander baden mögen, zum bequemen Entkleiden und zur sichern Bewahrung der Kleidungsstücke gebraucht werden kann.

Außer diesem Stübchen erhält die Maschine ihre zwote Abteilung durch einen Fallschirm, der, wenn er niedergelassen ist, die Oberfläche des Wassers berührt, und ein eingeschlossenes Bassin bildet.

Von der badenden Person hängt es ab, ob sie vermittelst einer kleinen Treppe ins Wasser hinab steigen, oder – was ungleich besser ist – ohne diese Hülfe hineinspringen will. Ebenso kann sie, wenn sie sich auf diesen Bezirk, der doch immer noch größer ist, als irgend eine gewöhnliche Badewanne nicht beschränken mag, mit eigner Hand und ohne Mühe den Schirm etwas aufheben, wo sie sich dann sogleich in offener See befindet, und bis zu einer durch Pfähle bezeichneten Entfernung mit größter Sicherheit umher bewegen darf …

Wenn gleich die Badewägen in nicht geringer Entfernung von einander stehen, so haben wir dennoch, damit auch Frauenzimmer das Bad ganz ungehindert und in offener See gebrauchen können, einige Cabinette, die ausschließlich für sie bestimmt sind, etwas weiter entfernen und durch einen Schirm von jenen andern absondern lassen.“

(Aus dem anonymen Werk von 1803)

Ansicht des Seebades 1822

 

2. Travemünder Luft

„Wenn daher der Geschäftsmann nach zehn monatlicher Einkerkerung in der verkohlten Stubenluft, sich nach einem Erfrischungsort für sein verdorbenes Blut sehnt, wo findet er einen bessern, als am Ufer des Meeres? Nicht der ländliche Aufenthalt, wo die Luft doch immer durch verfaulte animalische und vegetabilische Ausdünstungen verunreinigt ist, noch eine Gesundheitsreise, bei welcher ja vorzugsweise der schnelle Wechsel des Dunstkreises in Anspruch genommen werden soll, gewähren ihm die Vorzüge, deren er ohne Anstrengung, mit geringerem Kostenaufwand, durch den Aufenthalt in der Seeluft teilhaftig wird. Wie zuträglich unter andern auch dem kindlichen Alter der bloße Genuß dieser reinen Luft ist, solches lehrt uns die Erfahrung seit der Errichtung unserer Anstalt.“

(Dr. H. W. Danzmann, Annalen … 1817)

 

3. Heilkraft der Meduse

„Das Zusammentreffen mit zweien schätzbaren fremden Ärzten, die eben beschäftigt waren, die Struktur einer Moluske – Meduse (Qualle) – genannt, zu untersuchen, veranlaßte eine gegenseitige Auswechselung unserer Ideen, welche mehrere Versuche über die Heilkräfte dieses Seebewohners zur Folge hatte. Wir kamen darin überein, daß in diesem lebendigen schleimigten Wesen, der Extrativstoff des Seewassers enthalten sein müsse, und in diesem Sinne wurden ganze und partielle Bäder, der Consistenz nach, den Schlambädern gleich, von dem Verfasser dergestalt zur Ausführung gebracht, daß eine Wanne mit so vielen Medusen angefüllt wurde als sonst kaltes Wasser zum Baden erfordert wird. Die noch lebendigen Medusen, hier gewöhnlich Seeflammen oder Polypen genannt, wurden darauf zerstückelt, und zu einer Masse gequetscht, worauf bis zur Temperatur von 24 Gr. R. heißes Wasser hinzugetan wurde. Ein solches Bad ist jedoch nur bei einem 13jährigen Mädchen angewandt worden, das im eigentlichen Sinne mit der Skrophel-Krankheit behaftet war, und schon seit vielen Jahren am Beinfraß, Gelenksteifigkeit und an vielfältigen skrophulösen Geschwüren und harten Geschwülsten litt. Wenn ein solcher Grad der Krankheit auch nicht in einem Sommer, und nach etwa 12 solchen Bädern geheilt wurde, so ist doch merkliche Besserung darnach erfolgt, die zur Wiederholung einladet.

Bei einem Fräulein aus H. mit skrophulösen Geschwülsten am Halse, wollte die partielle Anwendung der Medusen nicht helfen. Dagegen linderte das Auflegen einer ganzen Meduse auf den Kopf, bei krampfhaftem Kopfschmerze sehr, und bei einem Manne vertrieb selbiges den Schmerz nach halbstündigem Gebrauche gänzlich.“

(Dr. H. W. Danzmann, Annalen … 1817)

Ansicht des Seebades um 1830

 

4. Ein Dauernieser

„Ein (Jüngling) zwischen 13 und 14 Jahren wurde zu Anfange des Maimonats mit einem anhaltenden Niesen befallen, welches zwar beim Schlafengehen aufhörte, aber jeden Morgen beim Erwachen wiederkehrte … Immer schneller folgte das Niesen auf einander, und in den Zwischenräumen gesellte sich noch ein so lautes krampfhaftes Aufschreien dazu, daß müßige Gaffer sich Haufenweise vor dem Hause versammelten, und benachbarte Comtoiristen über Störung bei ihren Arbeiten klagten. Das Übel steigerte sich allmählich zu einem solchen Grade, daß sein Zustand allgemeines Mitleiden erregte …

So verstrichen noch zwei Drittheile des Julimonats, bis man endlich, des unaufhörlichen Niesens überdrüssig, dennoch Rat schaffte, und den Patienten uns nach Travemünde zuschickte. Es wurden ihm den Tag nach seiner Ankunft sogleich, ohne weitere Vorbereitung, ein natürliches Seebad von 13 Gr. R. gegeben, in welchem er nach den vorgeschriebenen Regeln mit Hülfe des Bademeisters recht ritterlich bestand. Hierauf verminderte sich das Niesen, und war gegen den zehnten Tag völlig behoben. Zur Sicherung gegen Recidive mußte er sechs volle Wochen fortbaden, da er dann völlig hergestellt das Bad verlassen hat, und sich bis jetzt – Ende Dezember vollkommen wohl befindet.“

(Dr. H. W. Danzmann, Annalen … 1817)

 

5. Tanzvergnügen im, alten Travemünde

„Abends versammelt sich die schöne Welt in dem herrlich erleuchteten Saale, wo eine liebliche Musik die Füße zum Tanze beflügelt. Um die nächtliche Ruhe nicht allzusehr zu stören, wird der Ball um 8 Uhr eröffnet und um 11 Uhr beendigt. Diese Anordnung ist sehr zu loben, weil das Tanzen im Sommer, tief in die Nacht hinein, gewiß eine der wichtigsten Ursachen ist, weshalb Brunnen- oder Badekuren gänzlich vereitelt werden, ja es kann selbst den Grund zu unheilbaren Krankheiten, z. B. der Schwindsucht, legen. In Travemünde sind alle Vergnügungen schon vor Mitternacht geendigt, jeder überläßt sich der wohlthätigen Ruhe, um gestärkt und heiter am nächsten Morgen zu erwachen.“

(Dr. Saß, Handbuch 1828)

 

6. Für das Nacktbaden

„Mit einem Badehemde, mit Beinkleidern oder sonst einer Bekleidung ins Bad zu gehen, ist dringend zu widerrathen; sie verhindern den unmittelbaren Eindruck des Wassers auf die Haut, wovon größtenteils die heilsame Wirkung abhängt, und geben überdies Anlaß zu Erkältungen, da das Ausziehen der durchnäßten Kleidungsstücke immer einige Zögerung verursacht. Auch die beliebten Badekappen sind nicht sonderlich zu empfehlen, am wenigsten in solchen Fällen, wo der Kopf einer unmittelbaren Einwirkung des Wassers bedarf.“

(Dr. Saß, Handbuch 1828)

 

7. Die Spielbank im alten Travemünde

„Kurz vor Tische sieht man eine beträchtliche Menschenmenge im höchsten Staate auf den Promenaden wandeln, ebenso lebhaft ist es auf der Terrasse vor dem Wirtschaftsgebäude, und besonders im Spielzimmer, wo der Meister des Spiels leidenschaftslos am grünen Tische sitzt, und die launige Kugel im Kreise schwingt, während er zugleich das künstliche Glücksrad mit seltener Fertigkeit dreht. Wer des Geldes Fülle besitzt, und den etwanigen Verlust leicht verschmerzen kann, treibe das Spiel nach Belieben; wer aber seiner Leidenschaft nicht Meister ist, wem der Verlust Kummer und Sorgen bereitet, der unterlasse es, die launige Glücksgöttin zu versuchen!“

(Dr. Saß)

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