Aus der Anfangszeit des Seebades Travemünde

In der „Zeitschrift für die elegante Welt“ veröffentlicht ein unbekannter Verfasser 1806 einen Brief, in dem es u. a. heißt:

Wir wohnen auf dem Badeplatz selbst im sogenannten Logierhause. Dies Gebäude hat geräumige, freundliche, kühle Zimmer und Schlafkammern, die sämtlich mit den nötigen Möbeln versehen sind, und ist auf alle Wünsche seiner Bewohner berechnet.

Und wie interessant ist seine Lage für uns, denen der Anblick des Meeres, das Schauspiel ankommender und abgehender Schiffe und das ganze Leben eines nahen Hafens noch so neu ist. Ich übersehe mit einem Blicke die ganze Reede, wo seit einigen Tagen gegen 60 Schiffe vor Anker liegen, wo Kähne Boote, große und kleine Fahrzeuge den Wasserspiegel durchkreuzen, während von Zeit zu Zeit ein großes Schiff mit majestätischer Langsamkeit dem Travemünder Hafen zu oder von da aussegelt.

Wenige Schritte vom Logierhause befindet sich das Wirtschaftsgebäude. Hier speist man. Es ist freundlich einladend von außen, geschmackvoll im Innern eingerichtet. Zunächst für die Badegäste enthält es einen großen, schönen Speisesaal und zwei Gesellschaftszimmer.

Die ab- und zugehenden Lübecker und Hamburger, die Travemünde als einen Vergnügungsort betrachten und besonders sonnabends und sonntags in zahlreichen Gesellschaften ankommen, geben der Gesellschaft und der Unterhaltung eine neue Frische. Bei schönem Wetter kann man die, unmittelbar anstoßenden Promenaden zur nötigen Bewegung nützen. Man genießt auf ihnen eine herrliche Aussicht. Uns ist der Spaziergang am Strande hin lieber als eine Promenade in einem englischen Park.

Bei unfreundlichem Wetter gibt eine sehr breite Terrasse, gegen Regen und gegen die Winde durch eine wahre Glaswand von Fenstern geschützt, einen vortrefflichen Aufenthaltsort. Kleine Tische und Stühle stehen da an beiden Seiten herum. Rechts hat man das nahe Travemünde, hinter dessen Wall und Häusern die Spitzen der Mastbäume mit Ihren flatternden Wimpeln aus dem Hafen hervorragen. Der hohe, freistehende Leuchtturm gibt einen ehrwürdigen Scheidepunkt ab. Vor sich übersieht man den schmalen Zipfel des Meerbusens in Vereinigung mit der Trave, wo Schiffe und Fahrzeuge aller Art und Größe auf- und abwärtssegeln, und links blickt man über die Reede hinweg bis dahin, wo Wasser und Wolken sich zu vereinigen scheinen.

Eine wichtige Rolle in den Vergnügungen spielen die Partien zu Wasser. Um ein geringes Geld kann man entweder ein Boot für sich allein mieten, oder die Gesellschaft vereinigt sich, unter vorauffahrender Musik einige Meilen in die See hineinzusteuern oder nach benachbarten Orten zu schiffen. Mitunter wird ein Tänzchen gemacht. Wer für diese Dinge keinen Sinn und kein Auge hat, kann in einem Pavillon Befriedigung seines Gelüstes finden.

Um vom Seebade als Bad selbst zu sprechen, so schreibe ich Ihnen die Überzeugung, daß man es schwerlich an jedem anderen Orte mit dieser Bequemlichkeit, Gemütlichkeit, ja mit diesem wahren Genuß, wird haben können als in Travemünde. Man hat etwa hundert Schritte von seiner Wohnung bis zum Strande, wo der ungemein schöne, feinsandige Grund, der dem Fuß wie ein samtner Teppich, bei einer nie getrübten Kristallhelle des Wassers und bei einer für jedermann gerechten Tiefe bei dem bloßen Anblick schon eine wahre Sehnsucht erregt, sich hineinzutauchen. Selbst sonst wasserscheue Personen fühlen das Lockende dieser Einladung. Der beständige Genuß der Seeluft ist nach meiner Überzeugung ebenso heilsam wie das Baden selbst. Es ist sozusagen der zweite Bestandteil, und diesen kann man hier bei Ost und Nordwind aus der ersten Hand selbst in seinem Zimmer haben. Mit diesem großen und so wesentlichen Vorsprung durch seine natürlichen Vorzüge glaube ich, wird Travemünde bald das besuchteste Bad sein.

Den Tag nach unserer Ankunft haben wir mit warmen Bädern in der Wanne angefangen, und seit acht Tagen haben wir in der See selbst gebadet. Herr Dr. Danzmann, jetziger Badearzt, reguliert es nach Untersuchung des Körperzustandes, mit welchem Grade der Wärme anzufangen und nach und nach abzubrechen ist, bis das Bad in der See selbst gebraucht werden kann. Hierzu sind zweirädrige Badekutschen gebaut, deren zweckmäßige Einrichtung man bei ihrem Gebrauch würdigen lernt.

Welch ein Unterschied ist aber zwischen einem Seebad und einem Flußbad. Die Wirkungen des ersten auf den Körper sind auffallend, bei allen in der Art so ziemlich, gleich, nur in dem Grade verschieden. Wenn man bei dem gewöhnlichen Wohlbefinden, ohne gerade krank zu sein, gar kein bestimmtes Gefühl von seinem Körper hat, so ist es nach dem Seebade ein unbeschreibliches Wohlbehagen, eine Wärme und Lebendigkeit namentlich in der Haut und eine ungemeine Leichtigkeit im ganzen Körper mit ungewöhnlicher Heiterkeit des Geistes, was einen oft für den ganzen Tag begleitet. Wer sonst nur schleicht, mag jetzt gern gehen, wer gewöhnlich nur geht, mag jetzt gern tanzen.

Die Witterung mag kalt und rauh sein, man friert und fröstelt nicht. Jene eigene Wärme, durch Seeluft und Seewasser erregt, in höhere Tätigkeit gesetzt, schützt mehr gegen wirkliche Erkältung als Kleidung.

Ich habe schon mehrere hier getroffen, die das Seebad früher schon gebraucht hatten und die alle mit freudigem Dank davon sprachen.

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