Das Hansa-Hotel (Teil 1)
Die verschwundene Perle von Travemünde
von Gunter Bokholt
Das „Hansa-Hotel“ in Travemünde verdankt seine Entstehung der verheerenden Sturmflut von 1872.
Als das alte Warmbadehaus am Strand von den Wassermassen zerstört war, ließ der Eigentümer des Kurhaus-Hotels Dr. Cordts durch den Lübecker Architekten Grube ein neues Warmbadehaus mit Logierzimmern bauen: das „Hansa-Haus“, so der damalige Name.
Die Erteilung der Baugenehmigung durch den Lübecker Senat ging damals etwas schneller als heutzutage. Und so konnte mit dem Bau des „Hansa-Hauses“ bereits am 01. März 1873 begonnen werden.
Verbunden mit dem 150 Meter entfernten Kurhaus durch eine Allee aus den für Travemünde typischen Linden wurde das „Hansa-Haus“ wenige Monate nach Baubeginn im Jahr 1873 eröffnet. Im Erdgeschoß waren die Badezimmer mit Badewannen aus Eichenholz untergebracht. Die Fremdenzimmer lagen im Obergeschoß.
Der ärztlich empfohlene Badebetrieb wurde in Travemünde offiziell im Jahr 1802 aufgenommen. Travemünde ist das zweitälteste Seebad an der Ostsee (nach Heiligendamm 1794). Freier Badebetrieb „vom Strandkorb aus“ war jedoch erst seit 1928 erlaubt. Vorher ging man in die Seebadeanstalt oder ließ sich schicklich mit Badekarren ins Meer schieben. Aber die Ostsee ist ja immer sehr kalt. Da bietet natürlich das Baden im „Hansa-Haus“ mit warmem Wasser eine willkommene Ergänzung.
Die Badeabteilung im „Hansa-Haus“ erwies sich sehr schnell als zu klein, und so wurde im Jahr 1884 neben dem Kurhaus-Hotel ein größeres Badehaus mit 12 Badekabinen gebaut, das spätere „Autoliebchen“ und danach „Kurhaus-Klause“.
Jetzt wurden auch im Parterre des „Hansa-Hauses“ Fremdenzimmer eingerichtet, ein Frühstücksraum entstand, und das Haus wurde als Garni-Hotel geführt.
Das „Hansa-Haus“ gehörte mittlerweile der Hansestadt Lübeck, die das Haus im Jahr 1898 gemeinsam mit dem Kurhaus-Hotel, der Villa Marienlust und dem Hotel Augusta an den Hotelier Fritz Brügmann verkaufte. Es sind die „Hotels zur Seebadeanstalt“.
Bereits im Jahr 1873 gab es eine „Musiktaxe“ zum Unterhalt einer Kurkapelle. Ab 1898 wurde dann die Kurtaxe eingeführt. Hierdurch konnten kulturelle Angebote finanziert werden, besonders aber die teure Kurkapelle mit bis zu 30 Mitgliedern.
Das Hansa-Hotel von 1900 bis 1949
Um 1900 gehörte Travemünde zu den modernsten Seebädern überhaupt mit kräftig ansteigenden Besucherzahlen. Das dauerte bis hin zum 1.Weltkrieg. Dazu beigetragen hat die im Jahr 1900 neu erbaute pompöse Warmbade-Anstalt an der Strandpromenade und deren Eröffnung im Jahr 1901. Die Lage direkt nebenan war sicherlich ein Glückfall für das „Hansa-Haus“.
Ab 1913 blickt man vom „Hansa- Haus“ direkt auf das neu erbaute Kurhaus, das heutige AROSAHotel. Das „Hansa-Haus“ wurde etwa 1915 in „Hansa-Hotel“ umbenannt.
Anfang der 1920er Jahre wandelt sich Travemünde zwangsläufig vom exklusiven Luxusbad zu einem Volksbad und verlor dadurch an Bedeutung.
Im Jahr 1926 kaufte die Hotelfamilie Langer von den „Reichshof-Betrieben“ aus Hamburg das Hansa-Hotel, das Kurhaus-Hotel mit Arkadenhaus, die Schweizerhäuser, die Villa Marienlust und das Hotel Augusta.
Nach 1930 ging es im Kur- und Seebadbetrieb wieder aufwärts, auch mit zahlreichen auswärtigen Gästen. Der Ausbruch des Krieges 1939 bedeutete das Ende des Badebetriebes.
Die Familie Langer führte ihr Travemünder Imperium mit dem „Hansa-Hotel“ bis 1949.
In den Jahren 1942 bis 1947 ruhte der Hotelbetrieb im gesamten Travemünde. Sämtliche Fremdenzimmer im Ort wurden als Lazarett für verwundete Soldaten gebraucht.
In der Nachkriegszeit war die Kurverwaltung für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig.
Durch die Schließung der Grenze verlor Travemünde sein traditionelles Hinterland in Mecklenburg.
Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg
Im Jahr 1949 kaufte die Hansestadt Lübeck das „Hansa-Hotel“ und die weiteren fünf Häuser der Hotelfamilie Langer. Alle sechs Häuser ließ die Stadt Lübeck renovieren.
Die Spielbank-Konzession für das Casino wurde erteilt, und das Casino eröffnete am 03. Juni 1949 seine Pforten als einzige ganzjährig geöffnete Spielbank in ganz Norddeutschland, das „Nordische Monte“.
Der Badebetrieb in Travemünde kam 1950 langsam wieder in Gang. Die Kurverwaltung wurde 1951 neu eingerichtet, und die 1950er Jahre wurden wieder Boomjahre.
Das „Hansa-Hotel“ eröffnete wieder im Jahr 1951 in neuem Glanz gemeinsam mit dem Kurhaus-Hotel.
Mit dem Casino zusammen hatten die drei Häuser zwei Direktoren:
Henri Neid, ein Spielbank-Experte aus Belgien. Geboren im Jahr 1902 besaß er bereits in den 1920er Jahren ein Casino bei Lüttich und erhielt später von den deutschen Besatzern die Konzession für die luxuriöse Spielbank in Spa*, dem alten belgischen Seebad. Nach dem Krieg wurde er durch einen amerikanischen CIC-Geheimdienst-Funktionär vor einem Kriegsgerichts-Verfahren bewahrt und nach Travemünde vermittelt.
* Der heutige Begriff „Spa“ als Oberbegriff für Wellness leitet sich von jenem belgischen Seebad ab. Erst die neuere Werbung erfand die Erklärung für Spa aus dem lateinischen „Sanitas per Aquam“ (Gesundheit durch Wasser).
Dr. Heinz Lommerzheim, jüdischer Abstammung, aus einer Aachener Familie, die mit Schokolade und Rennpferden reich geworden war. Er hatte gute Verbindungen zur europäischen Varietee-Vereinigung und konnte für das Casino hervorragende Varietee-Künstler engagieren.
(Fortsetzung folgt)
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