aus der Geschichte Travemündes

Aus der Geschichte Travemündes
Zur 220. Wiederkehr der Gründung des Seebades Travemünde am 1. Juli 1802
Zusammengestellt von Wolf Rüdiger Ohlhoff
Teil 1

Wie alles anfing
Der schon im Altertum wohlbekannte Gebrauch des Badens in der See war im Mittelalter vollständig in Vergessenheit geraten. Erst von 1750 an haben englische Ärzte wieder auf den Heilwert des Seewassers hingewiesen und so die Einrichtung einer Reihe von geeigneten Küstenorten zu Seebädern veranlasst. Nach einigen Jahrzehnten griff diese Bewegung auch auf Deutschland über. 1794 wurde im mecklenburgischen Doberan das erste deutsche Seebad am Heiligen Damm eröffnet. 1797 folgte dann die in der Nordsee gelegene Insel Norderney und 1802 das Städtchen Travemünde an der Lübecker Bucht, das so den Rang als zweitältestes Ostseebad einnimmt. Der Ruhm, die erste Anregung dazu gegeben zu haben, gebührt einem Travemünder Gastwirt und Hotelier namens Lehmann. Die Pläne, mit denen der offenbar weitblickende Mann schon 1704 in der Öffentlichkeit erschien, scheiterten jedoch am Widerstand seiner Mitbürger, die eine Teuerung und noch anderes Schlimmes dadurch befürchteten. Aber die Idee war doch angeregt und drang hauptsächlich durch die Befürwortung des Lübecker Arztes Dr. Walbaum, der sich um die Verbesserung der Badeanstalten und anderer gemeinnütziger Einrichtungen in seiner Vaterstadt bereits große Verdienste erworben hatte, selbst auch über Lübeck hinaus.

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In der patriotischen Gesellschaft zu Hamburg wurde nämlich damals zu der Zeit mit besonderer Beziehung in Hamburg und Umgegend und auf Grund angestellter Umfragen der Wunsch geäußert, dass in Travemünde ein Bad eingerichtet werden möge. Daraufhin ließen sich einige vermögende Lübecker nach englischem Vorbild Badekarren, so genannte „Bademaschinen“, anfertigen. Die waren wie eine kleine Hütte mit zwei großen Rädern und einem kleinen Treppchen versehen, die von Badeknechten in seichtes Wasser vom Strand aus geschoben und auch wieder heraus gezogen wurden. Von ihnen aus konnte man dann im Schutze eines Schirms im knietiefen Ostseewasser ein Bad nehmen, ohne von lüsternen Voyeuren beobachtet zu werden.

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Als die eigentlichen Begründer des Travemünder Seebades sind jedoch die Lübecker Ärzte Dr. Danzmann und Dr. Brehmer zu nennen. Sie bildeten im Jahr 1801 zusammen mit einem dritten Arzt, einem Lübecker Senatssekretär, vier Kaufleuten aus Hamburg, einem Landschaftsgärtner aus Lübeck und einem Lübecker Juristen einen Verein, der sich später „ Direction der Seebade-Anstalt zu Travemünde“ nannte. Sie brachten in Zusammenwirken mit gleich gesinnten Travemünder Mitbürgern durch Zeichnung von Aktien das erforderliche Kapital zur Gründung zusammen und sicherten sich durch Unterhandlungen mit dem Lübecker Senat auch die obrigkeitliche Unterstützung und Fürsorge. Der Lübecker Staat vermittelte und bestätigte nämlich nun einen Vertrag mit der Direktion der Gemeinde Travemünde laut dessen ersterer ein Teil des sogenannten Leuchtenfeldes, das zur Gemeindeweide gehörte, zur Bebauung und Anpflanzung überlassen wurde. Er gab ferner die Uferstrecke an der Bucht zur ausschließlichen Benutzung für die Badenden her, ließ im Städtchen, dessen Vorderreihe schlecht und dessen Hinterreihe (die heutige Kurgartenstraße) überhaupt nicht gepflastert war, auf Staatskosten von der Lübecker Baubehörde ein neues Steinpflaster legen und sorgte durch die Anlegung eines Richtweges für Fußgänger (heutiger Weg von der Außenallee in Höhe AROSA-Hotel hinter der Musikmuschel zur Strandpromenade) für eine nahe Verbindung zwischen dem Orte und dem Seestrande.

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Dieser neue Richtweg war von außerordentlicher Wichtigkeit, denn an dem damals mit einer Zitadelle versehenem Ortsausgang (heute Ecke Rose zur Vorderreihe) reichten die Häuser seewärts in der Vorderreihe nur bis zur Höhe „ „Hotel Deutscher Kaiser“, ehemals „Hotel Stadt Riga“, dann „Hotel de Russie“ bis 1914. Diese Zitadelle enthielt auch Wohnungen für die Besatzung der Wachkompanie und die städtischen Angestellten, war aber nicht direkt mit dem Städtchen verbunden.

Wer von der Stadt aus zum Leuchtenfelde wollte, musste bisher durch das Tor am Westende der Torstraße und dann außerhalb des Walles, der die ganze Stadt umgab, nach Osten herumgehen. Alles das ging auf Fußwegen vonstatten, deren Beschaffenheit sehr zu wünschen ließ. Der neue Fußweg aber führte dagegen von der Vorderreihe direkt durch den Wall zum Leuchtenfelde. Der Festungsgraben zwischen dem Städtchen und der Zitadelle, die am Beginn der heutigen Nordermole lag, wurde mittels einer kleinen Fähre überbrückt, während der äußere Wassergraben, der die gesamten Wallanlagen umgab, durch eine Fußgängerbrücke überquert wurde. Pünktlich zur Badesaison wurde am 01.06.1805 die Torsperre eingeführt. Demnach wurden vom 01.06. bis 15.09. die Stadttore im Westen, Norden und Osten um 22 Uhr geschlossen. Bis 24 Uhr konnte man aber nach vorheriger Anmeldung trotzdem passieren, wenn man ein Sperrgeld bezahlte. Von 24 Uhr bis 5 Uhr morgens blieben die Stadttore ohne Ausnahme geschlossen. Die Torsperre galt auch für die Fußgängerbrücke, die zum Ende der Badesaison im Herbst abgebaut wurde. Nach diesen Vorbereitungen ging die Direction zügig ans Werk, so dass die neue Anlage schon am 01. Juli 1802 eröffnet werden konnte.

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Die Anlage war in folgender Weise ausgeführt: Vom Ende der Vorderreihe gelangte man so über die Brücke, von der aus die „Liebesallee“ mit ihren Linden zum Speisehaus (heute „AROSA-Hotel“) führte. Das einstöckige große Gebäude, genannt „Speisehaus“ oder auch „Gesellschaftshaus“, enthielt einen Küchentrakt und das Büro, einen großen Speisesaal sowie ein Lese- und ein Rauchzimmer. Daneben lagen draußen hinter dem Gebäude Richtung Ziegelberg (der heutige Kalvarienberg), einige kleine Gebäude mit Billardzimmer, Kegelbahn sowie Schaukel, Vogelschießen, eine Reitbahn und ein Karussell für die Kinder. Dahinter lagen am Fuße des Ziegelberges Gartenanlagen mit einem großen Rondell und eine Gärtnerei. Von hier aus führte ein verwilderter Weg auf die Spitze des Ziegelberges mit einem kleinen Tempel, von dem aus man einen herrlichen Blick auf Strand und die Lübecker Bucht hatte. In späteren Zeiten hat hier ein Wasserturm gestanden, der auch als Aussichtsturm genutzt werden konnte, aber in den 1970er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.

Pfingsten 1803 gab es auf dem Leuchtenfeld eine große Demonstration der Travemünder Gastwirte und Hoteliers gegen die neue Einrichtung. Sie witterten eine Konkurrenz zu ihren Betrieben und wollten erreichen, dass im „Gesellschaftshaus“ am Ziegelberg der Verkauf von Speisen untersagt wurde, da dieser Betrieb angeblich von dem Lübecker Staat nur als „Erfrischungs- und Kaffeehaus“ genehmigt worden sei. Die Direction der Badeanstalt hielt dagegen, dass es außer ihrem Hause in Travemünde „bisher kein schickliches Haus für Leute vom Stande gebe und ihr neues „Speisehaus“ zugleich mit seinem „Freizeitpark“ zum Vergnügungspunkt aller Badegäste dienen sollte!“ Da der Senat die Privatbadeanstalt sehr förderte, wurden die Bedenken der Travemünder Gastwirte als unbegründet abgewiesen.

Am 01.10. des gleichen Jahres gestattete der Senat den Bau eines „Logierhauses“ neben dem „Speisehaus“ unter Leitung der Seebad-Direction, das zunächst für bis zu 20 kranke und schwache Badegäste zur Übernachtung dienen sollte. Auch hiergegen protestierten die Travemünder Hoteliers, wieder ohne Erfolg. Aus diesem ersten Anfang entstanden dann später die reetgedeckten Logierhäuser im damals modernen „Schweizer-Stil“. Unmittelbar am Strande wurde dann auch unter Leitung der Direction des Speise-und Logier-Hauses ein kleines Warmbadehaus mit vier Badezimmern erbaut.

Das Seewasser wurde durch Holzröhren per Pumpe in den Kessel des Warmbadehauses geleitet, dort erwärmt, und wurde dann durch Röhren in eichenhölzerne Badewannen geleitet. Badezeit war von 09:00 – 12:00 Uhr früh und 05:00 bis 08:00 Uhr abends. Ein kaltes Seebad kostete 12, ein warmes 28 Schillinge. Der Erfolg belohnte dann das waghalsige Experiment: im ersten Jahr wurden schon 3.000 Bäder genommen. Die Badegäste waren hauptsächlich Lübecker und wohlsituierte Hamburger Gäste.

Den besten Beweis für den schnell wachsenden Ruf des jungen Seebades ergab die Notwendigkeit, schon 1803 mit Genehmigung des Lübecker Senats den Bau eines Logierhauses neben dem „Speisehaus“ zu errichten, da die Hotel- und Privatbetten nicht mehr für den Ansturm der Gäste ausreichten. Zunächst war nur ein reetgedecktes Haus im Schweizer Stil für bis zu 20 kranke und schwache Badegäste vorgesehen. Da diese Übernachtungsmöglichkeit aber sehr schnell ausgebucht war, wurde 1803 ein zweites Gebäude errichtet, so dass nun 56 Zimmer zur Verfügung standen. Daneben entstand dann ein Pferdestall für 60 Pferde mit einer Wagenremise. Und diese verhältnismäßig große Hotelanlage am Strand hat dem Fremdenverkehr in Travemünde nicht geschadet, wie ursprünglich gemutmaßt wurde. Ein Bericht aus dem Jahr 1803 hebt vielmehr mit lebhaften Worten hervor, wieviel Travemünde in nicht einmal 2 Jahren an Bedeutung gewonnen habe. Die Schlaglöcher und Pfützen auf den Straßen seien verschwunden, ein gutes Steinpflaster gelegt, die Häuser z.T. modernisiert und zum Teil sogar neu gebaut worden. Der Strand und seine Promenade sei mit Bäumen bepflanzt und das frühere öde Leuchtenfeld mit seinen Parkanlagen zu einem lachenden Sitz der Geselligkeit und Freude geworden.

Quellenhinweis:
Dr. Emil Paeprer von 1897-1932 1. Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins zu Travemünde e.V., gegr. 1848
Festschrift „Zum 100jährigen Jubiläum des Seebades Travemünde 1902“
Badearzt Dr.med. F. Liebolt „Travemünde u. die Seebadeanstalt daselbst“, 1841
Historiker Dr. C.F. Wehrmann „Die Seebadeanstalt in Travemünde 1841“
– Dr. Wehrmann war ab 1854 der erste Leiter des Lübecker Stadtarchivs
Th. Albrecht „Travemünde – Vom Fischerort zum See- und Kurbad“ – Chronik Kl. Hefte zur Stadtgeschichte,
Hrsg. Archiv der Hansestadt Lübeck Heft 19 Text sowie Fotos
Archiv der Hansestadt Lübeck; Museumsquartier St. Annen; UT Travemünde
Archiv Wolf Rüdiger Ohlhoff
Fotos: Archiv Rolf Fechner

© Juli 2023 bei Wolf Rüdiger Ohlhoff

 

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