Sturm in Travemünde
Die aufgepeitschte Ostsee brandet gegen die Strandpromenade.

KATASTROPHENALARM
IN TEILEN SCHLESWIG-HOLSTEINS

Vor fünfundzwanzig Jahren …

… tobten über Schleswig-Holstein orkanartige Stürme mit anhaltenden Schneefällen und führten zur schlimmsten Winterkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Der damalige, leider viel zu früh verstorbene Schriftleiter von UNSER TRAVEMÜNDE, Rudolf Moll hat dieses Ereignis in einem spannenden Bericht geschildert, den wir in diesem Heft noch einmal zum Abdruck bringen möchten.

Mit orkanartigen Stürmen und anhaltenden Schneefällen begann am 28. Dezember 1978 für Schleswig-Holstein und die angrenzenden Bundesländer eine Schneekatastrophe, die zur Jahreswende ungeahnte Ausmaße annahm. Mehrere Menschen starben in der Kälte, Autos blieben im Schnee stecken, Tiere verendeten in den Stallungen, Zugverbindungen brachen zusammen, ganze Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Tausende von Menschen mußten die Silvesternacht in der Kälte verbringen, da in vielen Teilen des Landes elektrischer Strom und Gas ausfielen. Erst nach vier Tagen normalisierte sich die Lage soweit, daß mit den Aufräumungsarbeiten begonnen werden konnte. Es erscheint sinnvoll, die katastrophalen Ereignisse dieser Tage noch einmal chronologisch zusammenzufassen. Am Donnerstag, den 28. Dezember, führten starke Schneefälle im nördlichen Landesteil Schleswig-Holsteins zu starken Verkehrsbehinderungen. Der deutsch-dänische Grenzübergang Ellund/Fröslev wurde gesperrt. In der Nacht zum Freitag sorgten Glatteis, Schnee und Schneeverwehungen sowie Hochwasser (in Travemünde durch Böllerschüsse der Wasserschutzpolizei angekündigt) an der Ostseeküste für ein Verkehrschaos auf den Straßen unseres Bundeslandes. Hunderte von Autos, aber auch Räumfahrzeuge, blieben im Schnee stecken. Im Amt für Katastrophenabwehr in Kiel wurde „Rufbereitschaft“ angeordnet.

Am Sonnabend verschlechterte sich die Situation stündlich. Nach anhaltenden Schneefällen brach der Straßen- und Zugverkehr zusammen, auch die Bäderstraße Travemünde-Niendorf wurde polizeilich gesperrt. Auf den völlig verschneiten Straßen in Schleswig-Holstein wurden rund 500 Menschen aus ihren steckengebliebenen Autos gerettet. In den Kreisen Schleswig-Flensburg, Segeberg, Nordfriesland und in Teilen Ostholsteins wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Insgesamt 80 Ortschaften waren ohne Elektrizität, hunderte durch Schneeverwehungen von der Außenwelt abgeschnitten. Die Nachttemperaturen erreichten etwa minus 20 Grad.

Der Sonntag (Silvester) brachte keine Besserung der Gesamtlage. In vollautomatischen Schweinemästereien und Hühnerfarmen verendeten unzählige Tiere, nachdem Klimaanlagen ausfallen, Futter- und Wasserversorgung unmöglich wurden. In den Kreisen des Katastrophengebietes wurde ein Fahrverbot für Privatfahrten ausgesprochen. Es war am Tage bis zu minus 15 Grad kalt.

Am Montag war die Lage trotz Wetterverbesserung unverändert ernst. Die schweren Behinderungen auf Straße und Schiene bestanden fort. In Nordfriesland waren über 100 Dörfer völlig eingeschneit.

Nachdem sich am Dienstag die Lage normalisiert hatte, konnte im ganzen Land mit den Aufräumarbeiten begonnen werden. Der Fährverkehr von Fehmarn nach Dänemark blieb weiter unterbrochen, so daß über NDR II empfohlen wurde, von Travemünde aus die Reise nach Skandinavien anzutreten.

In Travemünde selbst war in dieser Zeit ein Sturm- und Hochwasserschaden eingetreten, der von der Kurverwaltung mit 100 000 Mark eingeschätzt wurde. Genaueres ließ sich noch nicht sagen, da die Promenade am oberen Teil der Kaiserallee mit einem Eispanzer bedeck war. Hochschwappende Brecher hatten hier an einigen Stellen die Pflasterung der Promenade unterspült. Die vorgelagerten Felsen unterhalb der Strandkehle sind durch die Wogen eingesackt. Durch die Sturmflut wurde die Strandlinie vom Grünstrand bis zur Nordermole landeinwärts gedrängt.

Rudolf Moll, Schriftleiter

Foto: Färber-Foto

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